Essen. Erst im nächsten Jahr wird der Essener Wald wieder freigegeben. Wegen der starken Sturmschäden besteht dort immer noch Lebensgefahr. Die meisten Ausflügler halten sich an das Verbot, einige nicht.
Das Verbot des Regionalforstamtes Ruhrgebiet für den 1750 Hektar großen Essener Forst klingt etwas hölzern. Aber es geht ja auch um Holz. „Auf Grund der Folgegefahren durch den Gewittersturm Ela wird das Betreten des Waldes zum Zwecke der Erholung hiermit untersagt.“ Punktum. Die Botschaft an die Ausflügler nach dem verheerenden Sturm: Ihr müsst draußen bleiben. Essen grüne Lunge bleibt Sperrgebiet. Und das, so befürchtet die Stadt, sogar bis zum nächsten Jahr.
Was wiederum die CDU auf die Palme bringt, die „Lebensqualität der Essener werde „erheblich gemindert.“ Keine Radtour, keine Wanderung, kein Waldlauf. Zuwiderhandlungen können gar mit Geldbußen von bis zu 25.000 Euro geahndet werden, heißt es in der Verordnung. Auch die Stadt hat bereits ein Betretungsverbot erlassen - doppelt hält wohl besser. Wenigstens auf Knöllchen wurde bisher verzichtet, gleichzeitig weist Ordnungsdezernent Christian Kromberg auf die nach wie vor akute Lebensgefahr hin und mahnt, das Verbot ernst zu nehmen.
Nur Gucken ist erlaubt
Tatsächlich: Die Essener scheinen brave Bürger zu sein. Zumindest in Heisingen, im Schellenberger Wald. Eine Momentaufnahme. Links von der Heisinger Straße herrscht gähnende Leere. Die Wald- und Reitwege sind verwaist. Auf der Renteilichtung nutzen einige Jogger den Asphalt. Das ist erlaubt. Die Straße ist freigegeben, der Wanderweg A 2 entlang des Heisinger Baches dagegen nicht. Flatterbände versperren den Zugang unweit der Bushaltestelle „Schöne Aussicht.“ Nur Gucken ist erlaubt.
Frau Sand steht an der anderen Straßenseite mit ihrem Pudel - auf dem Wanderparkplatz am Jagdhaus Schellenberg. Sie kommt aus Mülheim, wollte mal wieder hierher, ein bisschen spazieren gehen - und ist schockiert über den Trümmer-Wald. „Das sieht ja entsetzlich aus. Da würde ich mich nicht rein trauen. Dort ist alles zu.“ Sie zeigt auf den Pfad A3, der zur Ruine Isenburg führt. Zwei Meter, dann ist Schluss. Ein riesiger umgestürzter Baum blockiert den Weg. Kein Durchkommen. Ein Schlagbaum könnte das nicht besser. Davor wurde noch jede Menge Geäst hingelegt, damit wirklich jeder erkennt, dass er da nicht rein darf.
Spaziergänger wissen nichts vom Verbot
Selbst wer wollte, kommt in diesem Dschungel nicht weit. Überall liegen dicke Stämme, wanken angezählte Bäume bedrohlich, drohen tonnenschwere Kronenteile herunterzufallen. Die Terrasse des Jagdhauses ist längst freigemacht, der Betrieb läuft ganz normal, nur der beschädigte Spielplatz bleibt geschlossen. „Kann man hier irgendwo spaziergehen?“, frage ich den Kellner. „Nein, alles gesperrt“, sagt er, als hätte er darauf schon hundert Mal antworten müssen. Der Baldeneysee da unten ist zum Greifen nah - und doch unerreichbar. Der kaputte Wald steht im Weg.
Nicht überall versperren Flatterbänder mit dem Aufdruck „Lebensgefahr“ die Zugänge, an einigen Stellen sind sie abgerissen, an anderen fehlen sie. So auf einem Wanderweg an der kleinen Vittinghoffstraße. Aber da hat sich eh’ ein Riese hingelegt. Ein Pärchen will es trotzdem versuchen und einfach einen Bogen um den gefallenen Baum machen. Auf das Waldbetretungsverbot angesprochen, fragen die beiden verdutzt nach. „Davon wissen wir nichts.“ Sie kommen aus Herne, haben früher in diesem idyllischen Viertel gewohnt - und wollten wieder eine Runde im Grünen drehen - so wie früher. Jetzt drehen sie zum Auto zurück. „Schade“, sagt die Frau noch. „Aber nachher passiert noch was - oder wir verirren uns.“
"Uneindeutig geregelt"
Ortswechsel, Freiherr-vom-Stein-Straße, Baldeneysee. Auf dem ellenlangen Parkplatz-Streifen, wo nur noch große Haufen Späne zersägter Stämme an den Orkan erinnern, nippen Ausflügler neben geparkten Autos genussvoll an ihrem Kaffee vom Imbiss nebenan. Picknick-Stimmung. Hier ist die Welt (fast) wieder in Ordnung. Das Nordufer am Baldeneysee ist bereits seit dem 11. Juli wieder freigegeben. Nur die Wege, die jenseits in den Wald oder gefährlich nah dran führen, bleiben tabu.
Zwei Frauen haben gerade so einen Fuß- und Radweg passiert. Sie blicken sich um. Vor dem Hinweisschild „Heisingen“ stehen rot-weiße Absperrbarken. Einer wurde beiseite geschoben - von wem auch immer. Doch das Schild „Wegen Sturmschäden gesperrt“ ist weiter deutlich zu sehen. Die Wanderinnen wundern sich. „Wir kamen aus der anderen Richtung“, erzählt die eine. „Da war alles frei. Da war auch kein Verbotsschild. Das ist hier uneindeutig geregelt“, findet sie. „Hier muss man schon genau hingucken.“
Aufräumarbeiten nach dem Orkan
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Wie geht es weiter?
Helmut Kimpel weiß ziemlich genau, wo er lang darf. Der See ist sein zweites Zuhause. Mit seinem Hund macht er nur eine kleine Runde, dort wo es erlaubt ist. Und seinen Radius wird er bis auf Weiteres nicht vergrößern. „Man muss Geduld haben“, betont er. Viel Geduld. „Zum Heisinger Wald hin sieht es doch noch ganz wild aus.“
Findet auch die 53-jährige Antonia, die gerade vom Fahrrad steigt. Es sei richtig, die Waldwege dicht zu machen, und sie hat angesichts der schweren Zerstörungen „großes Verständnis“ dafür, dass die Aufräumarbeiten lange dauern werden. „Sie müssen sich ja nur umschauen.“
Nach Schätzungen von „Grün und Gruga“ wurden 10 bis 15 Prozent der Waldfläche durch Ela schwer beschädigt. Erst im Laufe des Winter werden wohl die ersten Waldwege wieder begehbar sein. Das Rathaus gibt heute weitere Einzelheiten bekannt, wie es mit den Aufräumarbeiten in der Stadt Essen weiter geht.
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