Essen. In diesem Jahr verunglückten bisher sechs angetrunkene Radfahrer in Essen. Die Polizei, die Verkehrswacht und der ADFC warnen: Schon geringe Mengen Alkohol können die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen. Dann droht Führerscheinentzug

Was für ein Sommer - bis zum Abend steigt das Thermometer auf 28 Grad. Die Wirte in den Biergärten freuen sich, durch die Zapfhähne fließt das Pils hektoliterweise. Da ist es selbstverständlich, dass der Gast sein Auto stehen lässt - wer will schon seinen Führerschein riskieren?

Auch deshalb satteln viele auf das Fahrrad um, weil für Biker eine höhere Alkoholgrenze von 1,6 Promille gilt. Doch sowohl Polizei, Verkehrswacht und ADFC warnen: Schon mit viel weniger Alkohol im Blut kann die Fahrtüchtigkeit am Lenker stark beeinträchtigt werden. Und nur die wenigsten wissen: Radfahrer, die schon bei über 0,3 Promille wegen ihres Alkoholkonsums Ausfallserscheinungen zeigen, machen sich strafbar. Das bedeutet möglicherweise, dass sie ihren Auto-Führerschein abgeben müssen.

Herabsetzung auf 1,1 Promille gefordert

Alkohol am Lenker ist auch hier ein Thema, seitdem ausgerechnet in der Fahrradstadt Münster die Unfallzahlen mit betrunkenen Radfahrern in die Höhe schnellten. In Essen verunglückten im vergangenen Jahr neun beschwipste Radler. In diesem Jahr waren es bisher schon sechs. In einem Fall waren gleich zwei Radfahrer zusammengestoßen. Ein Biker war sogar mit 2,64 Promille Alkohol im Blut unterwegs und dann in einen Unfall verwickelt.

Der Gesetzgeber hat für die Pedaler als Grenzwert für die absolute Fahruntüchtigkeit 1,6 Promille vorgegeben. Das sei viel zu hoch, warnte jetzt nochmals eindringlich die Deutsche Verkehrswacht und forderte eine Herabsetzung auf 1,1 Promille – und damit eine Gleichstellung mit den Autofahrern. „Mit 1,6 Promille im Blut dürften viele Fahrradfahrer schon Probleme damit haben, ihr Fahrradschloss überhaupt zu öffnen“, meinte der Präsident der Verkehrswacht Kurt Bodewig.

Weniger Unfälle als in Düsseldorf

Die Diskussion um die Herabsetzung der Promille-Grenze verfolgt die Essener Polizei eher zurückhaltend. Denn für sie ist entscheidend: Sie kann bereits tätig werden, wenn ein Radfahrer nicht mehr ganz Herr seiner Sinne ist. Dann gilt die unterste Promille-Grenze. „Wenn wir feststellen, dass jemand nicht in der Lage ist, sein Fahrzeug sicher zu führen, dann sind wir mit 0,3 Promille auf der sicheren Seite“, betont Polizeisprecher Peter Elke. Wird ein Radfahrer erwischt, bekommt er eine Strafanzeige und muss damit rechnen, dass ihm der Führerschein entzogen wird. Außerdem gilt bei einem Unfall eh jeder Verkehrsteilnehmer ab 0,3 Promille als Mitverursacher.

Der Essener ADFC-Vorsitzende Jörg Brinkmann appelliert dringend an die Biker, nicht unter Alkoholeinfluss aufs Fahrrad zu steigen. Auch er setzt sich wie die Verkehrswacht für eine Herabsetzung der Promille-Grenze ein. „1,6 Promille - das ist schon ein Hammer. Das ist viel zu hoch“, warnte er. Der ADFC-Vorsitzende ärgert sich, dass man zwar das Auto stehen lässt, dann aber das Fahrrad als Alibi herhalten muss, um sich doch unterwegs betrinken zu können. „Das kann es nicht sein“, kritisierte er.

In der Landeshauptstadt geht die Polizei inzwischen mit Schwerpunktkontrollen gegen angetrunkene Radler – wie auf der Großen Kirmes am Rhein – vor. In Düsseldorf verunglücken aber auch deutlich mehr Radfahrer – rund 650 im Jahr. In Essen sind es weniger als die Hälfte – 282 Fahrrad-Unfälle wurden 2013 hier insgesamt registriert. Ein leichter Anstieg (269) gegenüber dem Jahr zuvor.