Essen. Dr. Gero Hilken wacht darüber, dass Versuchstiere nicht unnötig leiden am Essener Zentralen Tierlaboratorium am Uniklinikum. Und Hilken organisiert Treffen der Tierschutzbeauftragten. Den Privatdozenten ärgern die oft einseitigen, negativen Darstellungen von Tierversuchen.

An die Tiere, um die sich Dr. Gero Hilken kümmert, lässt er niemanden, der nicht vorher in speziellen Kursen gelernt hat, wie man fachgerecht mit ihnen umgeht. Denn Tierschutz ist dem Versuchstierkundler, der das Zentrale Tierlaboratorium am Uniklinikum mit etwa 50 Mitarbeitern leitet, ein großes Anliegen. Er selbst ist einer von vier Tierschutzbeauftragten, zuständig für Großtiere, und organisiert jährlich ein Tierschutzbeauftragtentreffen, das inzwischen deutschlandweit bekannt ist.

Den Privatdozenten ärgern die oft einseitigen, negativen Darstellungen von Tierversuchen, „denn deren Nutzen nehmen wir alle selbstverständlich in Anspruch, wenn wir krank sind. Die Auflagen sind sehr streng. Wenn es alternative Verfahren gibt, darf in Deutschland kein Tier zu Forschungszwecken eingesetzt werden.” Jedes Projekt muss der zuständigen Ethikkommission eingereicht werden. Die überprüft die Anträge streng darauf, ob die wissenschaftliche Fragestellung die Belastung für die Tiere rechtfertigt – und ebenso streng kontrolliert Hilken vor Ort, ob es den Tieren – auch während der laufenden Versuche – gut geht. Ist das nicht gewährleistet, lässt er ein Experiment auch schon mal abbrechen. „Ich sitze hier an einer Schnittstelle, an der ich dafür sorge, dass Versuche für die Tiere so stressfrei und wenig belastend wie möglich ablaufen”, so der studierte Biologe.

Schmerzbekämpfung ist Thema

Bei dem von ihm organisierten Tierschutzbeauftragtentreffen geht es um Themen wie Neuerungen beim Tierschutz, Schmerzbekämpfung, Narkoseverfahren, Tierkommunikation, neue bildgebende Verfahren, mittels derer die Anzahl der Versuchstiere reduziert werden kann – aber auch darum, welche Erfolge in der Tumorforschung dank der Tierversuche erzielt wurden.

Tierpfleger kümmern sich um das Wohlbefinden der Labortiere. Sie haben eine dreijährige Ausbildung hinter sich zum „Tierpfleger Forschung und Klinik”. Bei der Labortierhaltung ist Hygiene besonders wichtig, denn die meisten Labortiere sind frei von krank machenden Erregern. Von den etwa 15 000 Tieren, die hier gehalten werden, sind rund 13 000 Mäuse. „Nur wenige werden allerdings für Versuche eingesetzt, mehr als 70 Prozent sind Zuchtmäuse.”

Einzelne Tiere können sehr wertvoll sein. So tippelt hier eine Maus herum, die einige Zehntausend Euro kostete. Die Zucht von Versuchsmäusen ist aufwändig. „Das Genom vieler Tierarten wurde sequenziert, die Funktion einzelner Gene und ihr Interagieren mit anderen Genen ist aber oft unbekannt. Viele Mäuse wurden gentechnisch verändert, um etwas über die Funktion dieser Gene zu erfahren.” Dafür müssen die Tiere oft erst einige Jahre gekreuzt werden.

Fragestellungen entstehen am Krankenbett

Die Forschungsschwerpunkte des Klinikums sind Herz-Kreislauf-, Tumorforschung und Transplantationsmedizin „und betreffen somit Erkrankungen, an denen die meisten Menschen sterben. Die Fragestellungen entstehen oft an den Krankenbetten. Dort sehen die Ärzte, welche Erkrankungen sie schlecht oder gar nicht therapieren können. Da wird geforscht.” Wie kann verhindert werden, dass ein Organ nach der Transplantation abgestoßen wird? Wie ist der Transport von Spenderorganen durch den Einsatz von Kühlmethode und Nährmedien verbesserbar, so dass das Organ möglichst wenig geschädigt wird?

Fragestellungen zum Herz-Kreislauf-Versagen werden häufig am Schwein erforscht. „Simulieren die Ärzte einen Herzinfarkt, erfolgt das in OP-Räumen, die vergleichbar aufwändig ausgestattet sind wie für Menschen. Der Eingriff wird in Narkose durchgeführt, das Schwein nach Durchführung des Experiments noch in Narkose getötet.” Somit werde vermieden, dass es nach dem Aufwachen unnötig leide.

Unnötig leiden dürfe kein Tier im Labor. Für einige Experimente müssen die Tiere sogar handzahm sein. „Sonst lässt sich zum Beispiel kein Schwein einen Katheter spülen. Wir gewöhnen die Tiere an die Pfleger, dann an die Experimentatoren. Sie wachsen uns ans Herz. Da fällt es natürlich schwer, wenn ein Tier am Ende eines Versuchs getötet werden muss.” Zudem würden bei allen schmerzhaften Eingriffen Schmerzmittel eingesetzt. „Da muss der Arzt auch nachts zum Nachspritzen kommen, darauf achten wir.”

Versuche sind nicht immer Belastung

Manche Versuche seien keine Belastung für Tiere, zum Beispiel wenn das Verhalten von genveränderten Tieren getestet werden soll.

So wenig Tiere wie möglich einzusetzen, ist nicht nur ethisches Ziel, sondern hat auch monetäre Gründe, erklärt Hilken. „Tierversuche können sehr teuer sein.” Damit die Versuche verlässliche Ergebnisse liefern, sind Faktoren wie Luftfeuchtigkeit, Temperatur, Licht, Futter in den Tierräumen stets gleich. „Mir wäre es auch lieber, wenn Tierversuche überflüssig würden. Vieles lässt sich heute schon an Zelllinien oder isolierten Organen testen, aber es wird für lange Zeit unverzichtbar sein, Verfahren am tierischen Gesamtorganismus zu testen, bevor sie an Menschen angewendet werden.”

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