Essen. . Bis zuletzt hat er nicht viel Aufhebens um seine Person gemacht. Erst nach dessen Beisetzung am Montag hat Karl Albrechts Familie den Tod des Aldi-Firmengründers bekanntgegeben. Mit seinem Bruder Theo schrieb Karl Unternehmensgeschichte. Aus einem Tante-Emma-Erbe formten sie ein Discounter-Imperium.

Sein Grab liegt versteckt hinter Sträuchern, auf einem eher entlegenen Teil des Friedhofs im Essener Stadtteil Bredeney. Regen prasselt auf die Trauerkränze, aber die Blumen sind noch nicht verwelkt. Schaulustige sucht man vergebens. Bis zuletzt ist sich Karl Albrecht, der Mann, der deutsche Wirtschaftsgeschichte geschrieben hat, als großer Geheimniskrämer treu geblieben. Er wurde am gestrigen Montag zu Grabe getragen, und zwar genau so, wie er gelebt hat: in aller Stille.

Aldi ist bekannt wie kaum ein anderes Unternehmen des Landes. Doch der Firmengründer, der mit einem geschätzten Vermögen von rund 18 Milliarden Euro die Liste der reichsten Deutschen anführte, lebte so zurückgezogen wie nur möglich. „Karl Albrecht wollte keine öffentliche Aufmerksamkeit“, heißt es in einer der seltenen Mitteilungen der Mülheimer Unternehmensgruppe Aldi Süd, die zum Tod des Firmengründers verschickt wurde. Verschwiegenheit gehört zum Geschäftsprinzip. So verwundert es kaum, dass Albrechts Tod im Alter von 94 Jahren am Mittwoch vergangener Woche mehrere Tage lang der Öffentlichkeit unbekannt blieb.

Essener Unternehmer-Mythos

Dabei sind Karl und Theo Albrecht - sein zwei Jahre jüngerer Bruder starb bereits im Jahr 2010 - gemeinsam so etwas wie ein Essener Unternehmer-Mythos. Sie revolutionierten den Lebensmittelhandel wie niemand vor und niemand nach ihnen. Die von ihnen gegründeten Unternehmen Aldi-Süd (Karl) mit Sitz in Mülheim und Aldi Nord (Theo) mit Sitz in Essen sind längst globale Riesen, doch ihre unternehmerischen und auch biografischen Wurzeln liegen im vom Bergbau geprägten Essener Stadtteil Schonnebeck, wo die Eltern 1913 einen kleinen Bäckerladen eröffneten und Ende der 1920er-Jahre in das unscheinbare Haus Huestraße Nummer 89 umzogen, das seither als eine Art Stammhaus gilt – inklusive lange bestehender Aldi-Filiale.

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Kurz nach Kriegsende stiegen die Brüder Karl und Theo Albrecht nach überstandener Soldatenzeit ins elterliche Unternehmen ein, das mittlerweile Lebensmittel aller Art anbot. Anfang der 1950er Jahre begann der Aufstieg mit Filialgründungen und dem Prinzip von „Albrecht Discount“ – kurz Aldi: Selbstbedienung, ein kleines Sortiment, einfache Ladenausstattungen, günstige Ware. So wurde Aldi zum Inbegriff des Discount-Handels.

„Auf das Wesentliche konzentrieren“

„Das zentrale Element des Aldi-Prinzips ist, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren - nämlich den Kunden und seine Bedürfnisse ernst zu nehmen“, sagt der Handelsexperte Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. „Aldi hat nie an der Qualität der Produkte gespart. Gespart wurde, wo es den Kunden weniger störte, bei der Einrichtung der Läden zum Beispiel.“ So hat Aldi eine Reihe von Nachahmern inspiriert – in Deutschland zum Beispiel Lidl, Penny, Netto und Norma.

1961 gingen die Brüder getrennte Wege, der „Aldi-Äquator“ teilte fortan die Bundesrepublik, wobei der Süden Karls Reich wurde, und auch im Ausland kam man sich nicht in die Quere, als die Teilunternehmen ins Globale wuchsen. Aldi Süd sei dabei im Vergleich zu Aldi Nord die „wirtschaftlich leistungsfähigere Gruppe“, urteilt Handelsexperte Roeb.

35.000 Mitarbeiter in 1830 Filialen

Aldi Süd expandierte zunächst auf dem Heimatmarkt, dann auch über die Landesgrenzen hinaus. 1976 eröffnete der Handelsriese die ersten Filialen in den USA im Südosten von Iowa und im Westen von Illinois. Es folgten Märkte in Großbritannien, Irland, Australien oder Ungarn. Allein in Deutschland zählt Aldi Süd mehr als 35.000 Mitarbeiter in 1830 Filialen.

[kein Linktext vorhanden]Unter den Wirtschaftsdynastien Essens sind die Albrecht-Brüder in ihrer Wirkmächtigkeit - bei allen sonstigen grundlegenden Unterschieden - nur vergleichbar mit den Krupps. Letztere führten allerdings ein Leben im Schaufenster gerade auch der lokalen Öffentlichkeit, und das schon zu Zeiten, als dies noch eher unüblich war. Karl Albrecht hingegen hätte ohne weiteres über die wichtigste Essener Haupteinkaufsmeile Kettwiger Straße spazieren können, und wäre - wenn überhaupt - nur von ganz wenigen erkannt worden.

Im städtischen Leben spielte er keine Rolle.

Karl Albrecht war der reichste Essener – und das über Jahrzehnte. Im städtischen Leben aber spielte er keine Rolle. Eine Villa in der Nähe des Schuirwegs soll sein Hauptwohnsitz gewesen sein. Doch selbst Aldi-Experten, die mit Spürsinn Deutschlands geheimnisvollsten Milliardären auf den Fersen waren, vermochten nicht mit Sicherheit zu sagen, wie häufig er überhaupt in seiner Heimatstadt war.

Den Mitarbeitern eines Elektrogroßhandels in der Lazarettstraße in der Nähe der Essener Innenstadt bot sich bis vor einigen Jahren bisweilen das Schauspiel, dass der reichste Mann Deutschlands persönlich vorbeischaute, ob es etwas neues Günstiges für Aldi Süd zu kaufen gab.

Kein Interesse an Prominenz

Von den Treffpunkten der Prominenz hielt sich Karl Albrecht jedenfalls fern. Er spielte Golf, aber nicht in Essen, und Versuche, ihn für lokale Belange als Unterstützer zu gewinnen, blieben – soweit man weiß – stets vergeblich. Man erzählt sich beispielsweise, dass der damalige Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger vor einigen Jahren auf Granit biss, als es um Sponsorengelder für das Stadtjubiläum „1150 Jahre Essen“ ging. Wenn heute gelegentlich von einem Karl Albrecht die Rede ist, der sich kulturell engagiert und zum Beispiel rege für die Foto-Ausstellungen des Essener Ruhrmuseums interessiert, dann ist das sein Sohn, der den gleichen Vornamen trägt.

Der Firmengründer Karl Albrecht hat die Führung des Milliardenkonzerns schon vor Jahren weitgehend auf einen Zirkel familienfremder Manager übertragen. Sein Sohn und seine Tochter wachen im Aufsichtsrat über die Geschicke der Firmengruppe.

Seine letzte Ruhe auf dem städtischen Friedhof in Bredeney fand Karl Albrecht in der Nähe, aber keineswegs neben seinem Bruder Theo.