Essen. Rund 100 Biker kamen am Sonntag zum 12. Biker-Tag der Evangelischen Gemeinde Königssteele in Essen. Auf ihren Motorrädern knatterten sie nach der Andacht durch die Stadt. Pfarrer Heiner Mausehund ist Mitgründer der evangelischen Bikertruppe, trägt eine Lederkombi und fährt eine 1200er Suzuki.
Sie sind Biker, aber keine Rocker. In ihren Adern fließt zwar Benzin, aber mit literweise Bier verdünnt werden muss es nicht unbedingt. Doch schwere Maschinen lieben sie genauso wie die schweren Jungs – und das Fahren im Korso sowieso: Knapp 100 Motorradfahrer kamen zum 12. Biker-Tag der „Christlichen Motorradgruppe Königssteele“ (CMG) und kurvten nach der Andacht auf dem Dreiringplatz knapp 60 Kilometer im Namen des Herrn durch die Stadt.
„Gott sei Dank hatten wir gutes Wetter“, findet Pfarrer Heiner Mausehund nach der rund eineinhalbstündigen Ausfahrt direkt den Satz, der den Sonntagmorgen „seiner Schäfchen“ auf den Punkt bringt. Traditionell sind die Steeler Kerngruppe der Biker aus der evangelischen Gemeinde und ihre vielen Gäste beim Korso am ersten Juli-Wochenende mit gutem Wetter gesegnet. Diesmal standen die weltlichen Prognosen schlecht – wieder einmal hatte Petrus ein Einsehen.
„Präsi“ Mausehund gehört zur Spitze der evangelischen Kirche in Essen
Das fing schon beim gemeinsamen Frühstück ab 9 Uhr an. Und auch dem rituellen Teil lachte die Sonne. Zum ersten Mal feierte man keinen Gottesdienst, sondern „nur“ eine Andacht zusammen mit der benachbarten katholischen Gemeindereferentin von St. Laurentius, Lucia van den Boom. Grund war die Rücksicht den Fahrern gegenüber, die mit „so etwas“ nicht viel am Helm haben. Gemeinsamkeiten gibt es trotzdem nicht zu knapp: Da Moped-Fahrer häufig ausgeprägte Individualisten sind, übersetzten van den Boom und Mausehund in ihrer Andacht die Outlaw-Philosophie der „Berufs-Rocker“ in den passenden Zusammenhang: „Es geht auch anders“ – so der Titel – als es der gesetzestreue Pharisäer will.
Biker-Andacht in Essen
Das sieht der „Bandido“, zumindest oberflächlich, auch mal ähnlich. Von Teilnehmern aus diesen Kreisen am Sonntag ist indes nichts bekannt. „Die haben uns aber mit 70 Leuten besucht, als wir 2010 unseren Open-Air-Gottesdienst mit 2000 Gästen auf der Zeche Zollverein gefeiert haben“, berichtet Pfarrer Mausehund und muss bei der Erinnerung an die wohl spektakulärste Aktion der evangelischen Bikergruppe schmunzeln. 2001 hoben Mausehund und der inzwischen verstorbene Presbyter Karl-Heinz Friedrich die Truppe aus der Taufe.
Essener Pfarrer in Lederkombi und auf 1200er Suzuki
„Die Biker sind mir ans Herz gewachsen“, so Mausehund, dem man in der Lederkombi den Pfarrer nicht wirklich ansieht. 110 Pferde hat er unter dem Hintern, wenn er mit seiner 1200er Suzuki, ein ziemlich dickes Ding, jeden Morgen zum Dienst im Haus der Evangelischen Kirche braust. Als Nachfolger der neuen Superintendentin Marion Greve in der Funktion des „Skriba“ gehört er seit diesem Jahr zur theologischen Leitung der evangelischen Gläubigen in Essen.
Doch allzu religiös geht es bei den Treffs der 30 Mitglieder der CMG an jedem ersten Donnerstag nicht zu. Heinz Wiskamp fährt seit 2004 in der „Bruderschaft“. „Da werden Erfahrungen ausgetauscht und Benzin geredet. Wir beten auch, aber das steht nicht im Vordergrund“, erzählt er. Pfarrer Mausehund ergänzt: „Man kommt schnell zu einem Austausch in Lebens- und Glaubensfragen. Für mich ist es toll mit Menschen zu sprechen, die nicht regelmäßig in die Kirche gehen“, nennt er den „Treibstoff“, der ihn nach Steele biken lässt.
Denn zu den evangelischen Bikern kommen auch Katholiken und Atheisten. Regelmäßig fahren sie gemeinsam ihre Touren. Ob viele von ihnen Biker-Bibel-fest sind – das Neue Testament in Taschenformat mit Infos für Motorradler gibt es am Wochenende auch zu kaufen – sollte man nicht unbedingt voraussetzen. Und auch das haben die „himmlischen Reiter“ wohl mit den schweren Jungs von den „Hells Angels“ gemeinsam.
