Essen. Am Dienstagabend stand ein Ende Mai entflohener Häftling vor dem Gefängnis in Essen-Holsterhausen. Jetzt sitzt er wieder in der JVA Willich. Beamte befragen ihn nun, wo er war und was er in der Zeit getan hat. Falls er in dieser keine Straftat begangen hat, erwartet ihn kein neues Verfahren.
Nach acht Tagen in Freiheit und einem Großeinsatz der Polizei ist ein entflohener Häftling nun wieder in der Justizvollzuganstalt Willich. Am Ende hat sich der 27-Jährige selbst gestellt. Der Mann, der dort wegen Einbruch-Diebstahls seine Haftstrafe absitzt, war in Karnap beim Besuch seiner schwer kranken Mutter entkommen: Obwohl zwei Justizbeamte ihn begleitet hatten – und er Handschellen trug.
Diese fehlten, als er am Dienstagabend vor der Haftanstalt in Holsterhausen stand, sagt deren Leiter Herbert Paffrath. Gegen 21.45 Uhr beendete der 27-Jährige seine Flucht. Die Beamten riefen sofort in Willich an, die Nacht verbrachte er aber noch an der Krawehlstraße.
Bislang sind es Spekulationen
Vielleicht wählte er das Essener Gefängnis, weil er sich hier in Nähe seiner Familie aufgehalten hatte. Möglicherweise hatte er gar kein Geld für die Fahrt nach Willich. Ob es Einsicht gewesen ist oder ihn Angehörige überredeten aufzugeben: Bislang sind es alles Spekulationen, denn die Befragung des Häftlings läuft derzeit in Willich, sagt Dieter Grave, stellvertretender JVA-Leiter. Dorthin wurde der 27-Jährige am Mittwochmorgen gefahren.
In der JVA Essen
Er verbüßt seine Haftstrafe nun weiter, die insgesamt zwei Jahre und acht Monate beträgt. Die Strafe kam wegen mehrerer Delikte und Verurteilungen zustande. Der Entlassungstermin war der 10. Mai 2015. „Diese Zeit verlängert sich nun um die Tage, die er nicht hier gewesen ist“, sagt Grave. Das gelte für den Fall, dass er in der Woche nichts angestellt habe, zumindest nichts Strafbares. „Dann wird es auch kein neues Verfahren geben“, sagt der JVA-Leiter, denn: „Die Flucht ist keine Straftat.“ Fest steht aber, dass sich durch diesen Ausbruch seine Chance auf vorzeitige Entlassung („falls es die irgendwann gegeben hätte“) jetzt deutlich verschlechtert.
Bei der Befragung gehe es um die Motive für die Flucht
Nun gehe es bei der Befragung um die Motive für die Flucht oder auch darum, wo er die Zeit verbracht habe. Die Aussagen des 27-Jährigen werden auch eine Rolle bei den dienstrechtlichen Ermittlungen gegen die Justizbeamten spielen, um zu klären, ob sie eine Pflichtverletzung begangen haben, sagt Grave. „Bei diesen Ermittlungen stehen wir aber ganz am Anfang.“ Die Essener Oberstaatsanwältin Anette Milk äußert sich zu den ebenfalls eingeleiteten Ermittlungen gegen Angehörige zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Diese könnten wegen Gefangenenbefreiung belangt werden.
Die Familie hat der 27-Jährige in Karnap besuchen dürfen, weil er während seiner Haft bisher einen guten sozialen Eindruck machte, unauffällig und eher depressiv wirkte. Da seine Mutter schwer krank ist, sollte ihm dieser Kontakt ermöglicht werden. Diesen nutzte der 27-Jährige sogleich aus, entwischte bei dem Treffen im familiären Getümmel, wahrscheinlich durch die Haustür. Es folgte eine große Suchaktion der Polizei – ohne Erfolg. Bis zu dem Zeitpunkt, als der Häftling nun in Holsterhausen auftauchte, fehlte jede Spur.