Essen. In der kommenden Spielzeit verbindet Schauspiel-Intendant Christian Tombeil große historische Themen und literarische Vorlagen mit aktuellen Fragen. Zum Start zeigt Volker Lösch “Die Odyssee“ nach Homer.
Die Theater und Philharmonie GmbH, soviel steht nach der Wahl immerhin schon fest, befindet sich in einem stabileren Zustand als Europa. Während sich die EU zunehmend mit Kritikern und Sektierern in den eigenen Reihen beschäftigen muss, ist die Einheit der TuP zum Vorzeigeobjekt geworden. Mit gemeinsam abgestimmten Vortragsreihen und Vorstellungs-Kooperationen wie der Benjamin-Oper „Into The Little Hill“, mit gegenseitigen Bühnen-Gastspielen und einer gemeinsamen Gedenktag-Aktion zum 9. November will man sich als geschlossene Einheit in Zeiten zunehmenden Spardrucks präsentieren und die Bereitschaft zur Kooperationen lieber im eigenen Haus beweisen, als irgendwann zu neuen Verbindungen gezwungen zu werden.
„Wir hoffen, dass es der Stadt schwer fällt, über mögliche Kürzungen nachzudenken“, sagte Schauspiel-Intendant Christian Tombeil gestern bei der Vorstellung der Spielzeit 2014/ 2015. Unter dem Motto „Grenzgänger“ verbindet man große historische Themen und literarische Vorlagen diesmal mit aktuellen Fragen und Bezügen. Die engagierte Mischung kommt beim Publikum an. Zum Ende der aktuellen Spielzeit liegt die Auslastung schon bei stattlichen 83 Prozent.
Kriegsheimkehrer von heute
Mit „Die Odyssee“ nach Homer setzt Regisseur Volker Lösch gleich zur Eröffnung den Paukenschlag. Der Großmeister des Bürgerbeteiligungstheaters, der mit „Rote Erde“ zuletzt Furore machte, verknüpft einen der wichtigen Stoffe der europäischen Literatur mit der Geschichte der hier lebenden Roma und Sinti. Löschs Bühnenfassung fußt dabei auf Fragebögen, in denen Essener derzeit nach ihren Erfahrungen mit Fremdheit und Ausgrenzung gefragt werden.
Den historischen und literarischen Brückenschlag wagt auch Regisseur Moritz Peters, indem er Ernst Tollers bittere Weltkriegs-Autobiografie „Eine Jugend in Deutschland“ mit Erfahrungen heutiger Kriegsheimkehrer verknüpft, mit zeitlosen Fragen nach Krieg und Frieden. In die Thematik und Stimmung passt da auch das Musical „Cabaret“, das uns mit Sally Bowles ins Berlin der 1930er zurückversetzt. Wie schon einmal in der Intendanz von Tombeils Vorvorgängers Jürgen Bosse in Kooperation mit der Folkwang-Universität, deren Tänzer den legendären Kitkat-Club bevölkern.
Es geht um Alzheimer, Attentate und Weltliteratur
Die Wunden der Vergangenheit sie haben sich auch in Wajdi Mouawads Familiengeschichte „Verbrennungen“ eingegraben. Das Stück über zwei Kinder, die sich der weiter drehenden Spirale von Gewalt und Gegengewalt ausgesetzt sehen, inszeniert Martin Schulz. Hermann Schmidt-Rahmer bleibt der Mann fürs politisch Brisante. Mit „Ich habe nichts zu verbergen – Mein Leben mit Big Data“ greift der Regisseur das große Feld von Datenspeicherung und überwachter Privatsphäre auf. Und schließlich gibt es auch den Klassiker. Thomas Krupa inszeniert „Der Sturm“, eine zeitlose Geschichte über Männer, Macht und Stellungskämpfe. Die Vorlage für das vorweihnachtliche Kinderstück mit Musik liefert Michael Ende mit „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer.“
Geschichtsbewusst beginnt die Spielzeit auch in der Casa des Schauspiel Essen. Mit „Alles ist erleuchtet“, dem Debütroman von David Safran Foer, holt Regisseur Thomas Ladwig eine berührende wie skurrile Schtetl-Geschichte auf die Bühne. Wolfram Lotz, einer der derzeit angesagtesten Gegenwartsdramatiker, hat mit „Die lächerliche Finsternis“ eine Hörspielvorlage geliefert, die Robert Gerloff in Bilder umsetzt. Von nicht minder rhythmischer Herausforderung ist immer auch ein Stück von Elfriede Jelinek. Für ihren Heimatmonolog „Wolken.Heim“ hat sich das Theater deshalb mit Bernd Freytag und Mark Polscher ein Inszenierungsteam gesucht, das sich mit Bewegung und Musik auskennt. „Von der langen Reise auf einer heute überhaupt nicht mehr weiten Strecke“ erzählt Henriette Dushe, Siegerin der 3. Essener Autorentage „Stück auf“. Nach der Uraufführung ihres Stücks wird man allerdings bis 2016 auf eine neue Autorenentdeckung warten müssen. Das Festival wird künftig nur noch alle zwei Jahre ausgetragen, um Geld und Ressourcen zu sparen. Speziell für Kinder sind die Angebote in der Box. „Am Horizont“ erzählt von Yannick, Opa und dem Umgang mit Alzheimer. „Ich rufe meine Brüder“ verquickt ein Bombenattentat in Stockholm 2010 mit einer Erwachsenwerden-Geschichte