Essen. Regisseur Tilman Gersch inszeniert am Schauspiel Essen das Siegerstück des letzten Autorentage-Wettbewerbs: „Eine Blume als Gegenwehr“ erzählt von digitalen und realen Verbindungen.

Sie „posten“, „liken“ und „verlinken“. Sei teilen Bilder, Informationen und die Vorstellungen, dass man mit wenigen Klicks auch bei größter räumlicher Distanz noch Nähe haben kann. Sie haben oft mehr Freunde als die örtliche Caritas noch Mitglieder und sind trotzdem Verlorene im Netz der Möglichkeiten. Katja Wachter muss solche Zeitgenossen im Sinn gehabt haben, als sie ihr Stück „Eine Blume als Gegenwehr“ aufs Papier gebracht hat. Bei den Autorentagen des Schauspiel Essen im vergangenen April war die Jury von diesen „Figuren auf der Suche nach Liebe, Trost und Mitgefühl in einer virtueller werdenden Welt“ so überzeugt, dass sie die Arbeit der Münchner Choreografin mit dem Autorenpreis belohnten. Neben den 5000 Euro gehört auch die Uraufführung des Stücks zum Gesamtpreis. Die übernimmt in diesem Jahr Regisseur Tilmann Gersch.

Und obschon sich der gebürtige Berliner, der 2015 als Nachfolger von Hansgünther Heyme ans Ludwigshafener Theater im Pfalzbau wechselt, nach der ersten Lektüre des Stück zugegebenermaßen etwas verwirrt und ein wenig „lost in translation“ gefühlt hat, war doch ebenso schnell das Interesse geweckt an dieser eigenwilligen Ansammlung von Figuren und ihren absurden Verbindungen. Da gibt es den Patienten, der dauernd diese eine Stimme im Kopf hat und endlich den dazugehörigen Mann finden will. Da gibt es die zwei Schwestern, die sich an ihrer Gegensätzlichkeit aufreiben und eigentlich doch die gleiche Sehnsucht spüren. Da entsteht Begehren aus einem kurzen Zusammenprall im Regen und ein Stück aus einem flotten Dialogpingpong voller angerissener und zeitgemäßer Fragen.

Humorvoller Vorgriff auf NSA und Datenklau ist

In einer Mischung aus kaltem Kontrollraum und nostalgischem Ballsaal führt Gersch diese Figuren in der Casa des Schauspiels Essen zusammen. In diesem Warteraum zum digitalen Glück hat beides Platz – die alte Sehnsucht nach echten Gefühlen und die neuen Verheißungen der virtuellen Welt. „Die Sehnsucht steckt ja noch in der Verlustbeschreibung drin“, sagt Gersch, der aus dem Spielmaterial vor allem echte Menschen entwickeln will. Figuren, die „mit Charme, formalem Erfindungsreichtum und lakonischem Humor gezeichnet“ sind, lobte im vergangenen Jahr bereits die Jury

Auf der Bühne sollen sie nicht nur M, T und B1 sein, sondern sattes Schauspielfutter für sechs gleichberechtigte Darsteller, die diese Mischung aus Beziehungs-Sciene-Fiction, absurder Komödie und Weiterschreibung der Generation Facebook auf die Bühne bringen. Dass Wächters Bühnen-Erstling dabei am Ende auch ein humorvoller Vorgriff auf NSA und Datenklau ist, aus einer Zeit, als der Überwachungsgedanke noch nicht in allen Schlagzeilen war, gefällt Gersch besonders – Theater ist seiner Zeit ab und an eben doch ein Stück voraus. Und so will der Regisseur jenseits der sozialen Netzwerke viele Links ins wahre Leben legen: „Wir hoffen, dass der Zuschauer positiv verwickelt wird.“

Karten/Termine: 0201-8122-200