Essen. . Vom Rickelsbüller Koog nach Einödsbach: IT-Fachmann Hubert Wüllner will die Republik zu Fuß erkunden, er läuft von der dänischen bis zur österreichischen Grenze. Der Mann aus dem Essener Norden hat sich über 20 Jahre auf dieses Abenteuer vorbereitet.
Nur beim Startpunkt musste Hubert Wüllner einen Kompromiss eingehen. Er wollte vom nördlichsten Zipfel Deutschlands loslaufen, allerdings liegt der auf Sylt, und Wüllner mochte nicht über die Schienen des Hindenburgdamms wandern. Also wählte er den nördlichsten Festland-Flecken, der heißt Rickelsbüller Koog und besteht aus „einem alten Zollhäuschen“.
Ansonsten will der 56-Jährige keine Abstriche machen bei diesem Abenteuer, auf das er sich seit mehr als 20 Jahren freut: Wüllner wandert drei Monate lang durch Deutschland, vom höchsten Norden bis in den tiefsten Süden, 1800 Kilometer zu Fuß und vor allem: allein.
Vor der Abreise stieg die Anspannung
Denn ein Vereinsmensch ist er nicht. „Um Gottes Willen“, sagt der Stoppenberger beim Gespräch kurz vor der Abreise. „Manche glauben, ich laufe mit Spazierstock und Mundorgel durch die Felder.“ Stattdessen hat er Tabletcomputer, Navigationssystem und Handy dabei, ansonsten nur zwei Hosen, T-Shirts, Jacke, Regenschirm und zwei Paar Schuhe – maximal 15 Kilo Gepäck. Hape Kerkeling hat über seine laufende Sinnsuche ein viel beachtetes Buch geschrieben: „Ich bin dann mal weg“. Wüllner hat’s gelesen, ihm geht es bei seinen Wandermonaten indes nicht um Meditation. „Für mich steht die Landschaft und der sportliche Aspekt im Vordergrund.“
In den letzten Nächten vor der Abreise schlief Wüllner schlecht. „Bei Künstlern würde man von Lampenfieber sprechen.“ Seit 1991 träumt er von dieser Tour, nun ist er endlich unterwegs. Damals wanderte er zusammen mit seinem Bruder von Essen ins sauerländische Dorf Bödefeld, wo beide aufwuchsen. Als er dann wenige Wochen später in der WAZ einen Artikel las über einen Mülheimer, der „in 60 Tagen von Flensburg bis zur Zugspitze“ lief, wie die Zeitung titelte, reifte in Wüllner der Entschluss: Das will ich auch!
Marathonläufer mit guter Kondition
Nur noch ein bisschen ambitionierter – er nimmt sich mehr Zeit als sein Geistesbruder aus Mülheim, macht mehr Kilometer. Als Marathonläufer ist er bei guter Kondition, und da die Kinder aus dem Haus sind und Ehefrau und Firma ihr Einverständnis erklärten, ist der Leiter einer IT-Abteilung nun gerade irgendwo an der Küste, wird durch Altes Land, Lüneburger Heide, entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze, durch Harz, Thüringer und Frankenwald sowie das Alpenvorland bis nach Einödsbach laufen.
Das ist der südlichste bewohnte Ort der Republik, liegt bei Oberstdorf und besteht laut Internetlexikon aus drei Häusern und einer Kapelle. Dort endet Hubert Wüllners Reise. Der Weg ist sein sprichwörtliches Ziel, er lässt sich Zeit. Nur nicht zu viel, denn: „Zu den K.O.-Spielen der Fußball-WM möchte ich wieder in Essen sein.“