Essen. . Deutschlands ältestes Schülerkabarett hat sich neu erfunden - mit einer neuen Truppe und neuer künstlerischer Leitung sind die „Kettwichte“ seit Herbst zu neuem Leben erwacht. In ihrem aktuellen Programm geht es um Hoeneß, Ganztagsschulen und den Berliner Flughafen.

Scheibenwischer? Hmmjaa, da dämmert einigen was, ganz dunkel, haben sie schon mal gehört, irgendwann, was war das nochmal?

Scheibenwischer war die Kabarett-Institution im deutschen Fernsehen. Seit fünf Jahren gibt es die Sendung nicht mehr. Das ist im Leben eines Oberstufenschülers eine halbe Ewigkeit.

Inspirationsquellen heißen „heute-show“ oder „Die Anstalt“

Zwölf junge Männer und Frauen des Theodor-Heuss-Gymnasiums in Kettwig sind die neuen „Kettwichte“, ihre Inspirationsquellen heißen „heute-show“ oder „Die Anstalt“; Dieter Nuhr und Hagen Rether sind jene, die das Kabarett machen, das sie kennen und gut finden, obwohl: „Ich finde auch Karl Kraus und Georg Kreißler lustig“, sagt „Kettwicht“ Simon Masloch. „Ich finde, alt- und neumodisch sind keine passenden Kategorien.“

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Entsprechend selbstironisch ist der Titel ihres aktuellen Programms: „Früher war alles besser.“ Die „Kettwichte“ sind Deutschlands ältestes Schülerkabarett, gegründet 1965; vor zwei Jahren sollte Schluss sein, 2013 gab es noch mal ein „Best Of“, und dann erschienen ziemlich überraschend Geschichtslehrer Christian Reindl und Ex-Kettwicht Marco Geiger auf der Bildfläche und hauchten den „Kettwichten“ neues Leben ein. Ergebnis: Mit dem Programm Nummer 38 sind sie seit September unterwegs, und an diesem Freitag gibt es einen großen Auftritt im Burggymnasium.

„Wir machen Gesellschaftskritik, lustig verpackt“

Jede Generation hält die nachfolgenden für mindestens unpolitisch, eher sogar verblödet, auch durch das, was heute so als „Comedy“ bezeichnet wird, doch die „Kettwichte“ sagen: „Das stimmt nicht, wir treten den Gegenbeweis an.“ In ihrem Programm behandeln sie den Berliner Flughafen, Uli Hoeneß, Putin, das Duisburger Roma-Haus, es gibt einen „Hausmeister Schimanski“ und kritische Anmerkungen zum Ganztags-Betrieb an Schulen: „Wir machen Gesellschaftskritik, lustig verpackt“, sagen sie. In Liedern, Sketchen, Wortbeiträgen, das meiste ist verfasst worden von Lehrer Reindl. Am Heuss-Gymnasium kann man in Stufe elf die „Kettwichte“ als Zusatzkurs wählen, in Stufe zwölf ist die Teilnahme dann rein freiwillig.

„Ich erinnere mich an meine eigene Grundschulzeit, da hab’ ich die Kettwichte gesehen und fand sie schon damals gut“, sagt „Kettwicht“ Niklas Schubert Rocha. Sie alle haben festgestellt, dass die „Kettwichte“ generationenübergreifendes Interesse auslösen; es kommen die kleinen Geschwister von Mitschülern genauso wie Menschen mit grauen Haaren, die die Anfangstage miterlebt haben. Haben sie auch Essener Themen im Programm - den Bürgerentscheid zur Messe vielleicht? „Nein, wieso“, sagen sie. „Wir sind doch hier in Kettwig.“ Es gibt Überzeugungen, die halten mindestens so lange wie die „Kettwichte“.