Essen. Rund 100 Essener stellen pro Jahr bei der Stadt einen Antrag auf Änderung ihrer Vor- oder Nachnamen – manche haben ernste, manche praktische Gründe. Oft steckt hinter dem Wunsch auch ein psychisches Trauma. Warum dennoch nicht jeder Bürger einfach so heißen darf, wie er möchte.

Einmal kam ein Mann, der hieß Adolf. Der knapp 50-Jährige war unglücklich, er verwies auf die deutsche Geschichte und wollte einen anderen Namen. Doch so einfach geht das nicht. „Es gibt ein Gerichtsurteil, dass der Namen Adolf nicht per se anstößig ist. Der Mann hätte nachweisen müssen, dass er durch seinen Namen schwerwiegend belastet wird“, sagt Marina Tognino, die bei der Stadt Essen für Wünsche nach Namensänderungen zuständig ist.

Knapp 100 Essener im Jahr sind mit ihrem Vor- oder Nachnamen so unzufrieden, dass sie einen Änderungsantrag stellen. Die Gründe sind vielschichtig und lassen tief blicken in die Lebenswirklichkeit vieler Menschen in dieser Stadt.

Aus Piotr Meierow könnte Peter Meier werden

Da sind etwa die Einwanderer, deren Name für deutsche Ohren arg kompliziert klingt. In Sri Lanka oder den arabischen Ländern seien über Generationen vererbte Namensketten verbreitet, sagt Tognino. Wer also Ibrahim Mohamed Mohamed heißt, kann und sollte sich für einen Vor- und Nachnamen entscheiden. Und ein Osteuropäer namens Piotr Meierow könnte sich zu Peter Meier eindeutschen lassen.

Manchmal kommen auch Leute, die schlicht unzufrieden sind mit dem Namen, den die Eltern einst aussuchten. „Wir haben hier ab und zu Jugendliche sitzen. Oft wissen die Eltern gar nichts von deren Ansinnen“, so Tognino. Das funktioniert so natürlich nicht. „Das deutsche Namensrecht ist sehr restriktiv“, der Gesetzgeber lege Wert auf Kontinuität, Abstammung und Wiederfindbarkeit. „In den USA ist das anders, da muss man nur zum nächsten Friedensrichter gehen.“

Huria will keine „Hure“ mehr sein

Erfolgsversprechender sind Anträge von Essenern mit anstößigen („Ficker“) oder mitunter absurden („Schweißfuß“) Nachnamen. Tognino: „Huria ist in Iran und Irak ein gebräuchlicher weiblicher Vorname.“ Wenn die Klassenkameraden auf dem Schulhof eine arme Huria ständig „Hure“ nennen und das Mädchen darunter leidet, ist das durchaus ein Änderungsgrund.

Viele, die bei der Stadt vorstellig werden, haben wirklich ernstzunehmende Gründe. Ein Großteil der Antragsteller bringt nämlich psychische Probleme zur Sprache. Klassisches Beispiel: Eine junge Frau, die von ihrem Vater missbraucht wurde, will unbedingt den Namen ihres Peinigers ablegen. „Von solchen traumatisierenden Erlebnisse höre ich immer häufiger“, sagt Tognino. „Wahrscheinlich deswegen, weil der Missbrauch durch Verwandte früher mehr totgeschwiegen wurde als heute.“

Mit ihrem Namen ist Marina Tognino übrigens sehr zufrieden.