Essen. Müssen Kitas und Schulen darben, wenn die Modernisierung der Messe in Essen kommt? Der Stadtkämmerer Lars Martin Klieve entkräftet dieses Argument: Der Etat reiche für die Messe Essen und für die anderen nötigen und machbaren Investitionen, sagt er im Gespräch mit der Redaktion.
Wenn die Stadt Essen für die Messe Geld ausgibt, dann fehlt ihr das an anderer Stelle. Das klingt logisch, zumal bei einer armen Kommune wie Essen, die nicht im Geld schwimmt, sondern den Mangel verwaltet. Und weil es so eingängig klingt, spielt der simple Gedanke in der Kampagne der Initiative „Messe-Umbau nicht um jeden Preis“ eine überragende Rolle.
Wenn die Messe für 123 Millionen Euro modernisiert wird, so behaupten es jüngst neu aufgestellte Plakate, dann fehlt es an Geld für Kitas, Schulgebäude, Evag-Busse und vielem mehr. „Diese Sichtweise stimmt allerdings definitiv nicht!“ betont Stadtkämmerer Lars Martin Klieve.
„Wegen der Messe-Modernisierung wird keine einzige Kita weniger gebaut und kein einiges Schulklo weniger saniert“, sagt der Wächter der Finanzen, von dem es heißt, er sei persönlich nicht unbedingt ein Freund des Messe-Umbaus.
Wie kann die Stadt die Modernisierung der Messe Essen bezahlen?
Nun liegt die Frage nah: Wie ist das möglich, das die Stadt plötzlich für alles Geld haben soll? Nun, es gibt zwei Haushalte, die nicht miteinander verrechnet werden dürfen: einen für den laufenden Betrieb der Verwaltung und einen für Investitionen. Der erste umfasste beispielsweise 2012 rund 2,3 Milliarden Euro und ist chronisch defizitär - die Stadt gab 142 Millionen Euro mehr aus als sie hat.
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„Das ist der Haushalt, der mir Sorgen macht“, sagt Klieve. Der zweite bewegte sich in den letzten Jahren bei um die 200 Millionen Euro pro Jahr, und nur 2008 gelang es der Stadt, diesen durch Kredite finanzierten und von der Bezirksregierung genehmigten Etat wirklich auszuschöpfen und das Geld auszugeben. 2012 etwa blieb 48 Millionen Euro Kreditrahmen ungenutzt.
Nur aus diesem Investitions-Budget aber wird die Messe-Modernisierung finanziert. Die Stadt entnimmt hier und gewährt der Messe - verteilt über mehrere Jahre - einen Kredit von insgesamt 100 Millionen Euro. Und nur dieser Etat steht auch für den Bau von Kitas oder die Grunderneuerung von Schulen zur Verfügung, die die Gegner der Messe-Modernisierung in Gefahr wähnen. „Tatsächlich ist es aber so, dass das Geld in den nächsten Jahren für all diese Investition reicht, die Messe den Kitas oder den Schulen also nichts wegnimmt“, so Klieve.
Oberbürgermeister Reinhard Paß sieht Messe-Investition gedeckt
Auch Oberbürgermeister Reinhard Paß wird nicht müde zu beteuern, dass die Messe-Investition allein schon durch die nicht ausgeschöpften Investitionskredite der letzten Jahre mehrfach gedeckt wäre. Was natürlich nicht heißt, dass die Stadt das Geld nun bedenkenlos ausgeben soll. „Natürlich können wir nur investieren, wenn es sinnvoll und nötig ist“, sagt der Kämmerer, der nicht verhehlt, dass er nicht traurig ist, wenn nicht so dringende Investitionen unterbleiben. Denn dann fallen auch keine Zinsen an, die der Stadt selbstredend wehtun.
Frönen die Grünen und die anderen, dem Contra-Bündnis angeschlossenen Parteien wie Linke, DKP und MLPD also dem puren Populismus und der Angstmacherei, wenn sie so tun, als leide wegen der Messe-Investition anderes Wichtige? Grünen-Fraktionschefin Hiltrud Schmutzler-Jäger weist das weit von sich: „Wenn wir alle Generalinstandsetzungen, die beim Zustand der städtischen Infrastruktur nötig sind, in den nächsten Jahren umsetzen wollten, dann wäre das nicht möglich, wenn wir gleichzeitig zu viel in die Messe investieren.“
Die Bezirksregierung würde der unter Haushaltsaufsicht stehenden Stadt Essen dann irgendwann ein klares Stopp-Zeichen entgegenhalten. Richtig sei allerdings, dass man - Stand heute - noch nicht im Detail wisse könne, welche Investitionen bei Schulen, Sportanlagen etc. demnächst nötig sind. Der Messe -Kredit verenge die künftigen Möglichkeiten und berge Risiken.
Schmutzler-Jäger räumt allerdings ein, „dass es auf beiden Seiten Punkte gibt, die man hinterfragen darf“. Sprich: Auf den Plakaten ist nicht die ganze Wahrheit zu lesen - wie üblich in Wahlkämpfen.
Er sieht Investitionen mit einem lachenden und einem weinenden Auge - Essens Kämmerer Klieve im Interview
Herr Klieve, mal abgesehen von der Messe: Warum schöpft die Stadt seit Jahren ihren Investitionsrahmen nicht aus? Bedarf gäbe es doch.
Lars-Martin Klieve: Die Fachbereiche sagen oft, sie hätten zu wenig Personal, um beispielsweise alle Schulen, die es nötig hätten, generalinstandzusetzen. Das sind komplexe Bauaufgaben, die betreut werden müssen. Es ist ja nicht damit getan, etwa nur eine marode Toilettenanlage zu sanieren - das dürfte ich aus dem Investitions-Budget auch gar nicht bezahlen.
Kein Personal - das kann nicht der einzige Grund sein.
Klieve: Stimmt. Oft melden die Fachbereiche vorsorglich Investitionen an, ohne dass die Planungen fertig sind. Oder es ist überhaupt nicht klar, ob die jeweilige Schule oder Sportanlage in Zukunft gebraucht wird. Dann wäre es fahrlässig groß zu investieren und dann stehe ich auch schon mal auf der Bremse. Oder die Stadt schafft es entgegen ihren Absichten nicht, ihre Grundstücke und Immobilien wirklich zu managen.
Ganz in Weiß
Deshalb haben wir jetzt wichtige Immobilien an den Allbau abgegeben, damit die dann sinnvoll investieren. Die können das besser. Aus all diesen Gründen war unser Kreditrahmen im Investitionsetat höher, als wir tatsächlich ausgeben konnten.
Zurück zum Thema Messe: Wenn die Stadt gar nicht in der Lage ist, soviel zu investieren, wie es wünschenswert oder nötig wäre - verschlägt die Messe-Investition dann etwas?
Klieve: Nein, sie verschlägt nichts. Wenn wir als Stadt der Messe einen Kredit über 100 Millionen Euro geben - den Rest finanziert die Messe selbst - , dann geht das definitiv nicht zulasten anderer Vorhaben. Die jetzt gewählte Finanzierung per Kredit ist im Übrigen besser als eine Bürgschaft, weil wir günstiger an Kredite kommen als unsere Stadttöchter.
Das hört sich arg idyllisch an. Kredite kosten Zinsen. Und die Stadt muss doch weiterhin hart sparen.
Klieve: Das muss sie. Deshalb sehe ich ausbleibende Investitionen auch mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Einerseits gilt: Jeder Euro, den wir nicht als Kredit aufnehmen müssen, hilft uns bei der Konsolidierung des Haushalts, denn wir müssen dafür keine Zinsen zahlen, die uns belasten.
Die beste Heimwerkerin
Andererseits: Sinnvolle Investitionen, ob in die Messe oder in eine Schule, sind mir deutlich lieber als Ausgaben für das laufende Geschäft der Verwaltung, die keine nachhaltige Wirkung haben. Mit Investitionen werden langfristige Werte geschaffen, da habe ich gar kein Störgefühl.
Kann denn der Kreditrahmen eng werden in den nächsten Jahren?
Klieve: Auszuschließen ist das nicht. Aber ich muss noch mal betonen: Für die nötigen und realisierbaren Investitionen wird Geld genug da sein.