Essen. Der Mann, der am Essener Hauptbahnhof durch einen Stromschlag verletzt wurde, ist weiterhin in einem kritischen Zustand. Die behandelnden Ärzte sehen aber gute Chancen, dass der 20-Jährige überlebt. Zeugen konnten bisher nicht vernommen werden - sie stehen nach dem Unglück unter Schock.

War es unüberlegter Leichtsinn, eine Mutprobe, der Reiz des Verbotenen? Nach dem tragischen Unfall am Samstag im Hauptbahnhof wird die Frage nach dem Motiv die Polizei auch die nächsten Tage noch beschäftigen. Ein 20-Jähriger war am frühen Morgen auf einen Waggon der stehenden S6 am Gleis 12 geklettert. Er kam dabei der 15.000-Volt-Oberleitung zu nah und erlitt einen Stromschlag.

Mit schwersten Verbrennungen und vermutlich auch mehreren Knochenbrüchen wurde er in eine Spezialklinik in Duisburg gebracht und operiert. Am Montagmorgen teilte die Bundespolizei auf Anfrage mit, der Mann befinde sich weiterhin in einem kritischen Zustand. Die behandelnden Ärzte sähen aber "gute Überlebenschancen" für ihn.

Zeugen sahen den Lichtbogen

Zeugen des Vorfalls berichteten von einem Blitz, einem Lichtbogen und einem lauten Knall. Der Mann brach auf dem Wagendach zusammen und fiel ins Gleisbett. Dort fanden ihn eine Streife der Bundespolizei sowie ein zufällig anwesender Feuerwehrmann.

Auch für den Einsatzleiter der Essener Feuerwehr, Carsten Cornelißen, der selbst mehrere Jahre im Rettungswagen unterwegs war, ist es alles andere als ein Routineeinsatz, wie er gesteht. Als er vom Einsatz gegen 5 Uhr nach Hause kommt, ist an Schlaf nicht mehr zu denken. Die Bilder, die Gedanken lassen ihn nicht los. „Ich selbst habe einen Sohn in diesem Alter. Man fragt sich, was den jungen Mann geritten hat?“ Eigentlich wisse man doch, „da ist Strom drauf“.

Vernehmungen erst in einigen Tagen

Vielleicht bringen die Vernehmungen der insgesamt acht Zeugen mehr Klarheit. Nach dem Unfall jedoch mussten sie von Rettungsdienst und Notfallseelsorger betreut werden und waren bislang noch nicht vernehmungsfähig. Eine 16-Jährige – vermutlich die Freundin des Opfers – wurde am Samstag in ein Krankenhaus gebracht. Auch sie konnte noch nicht befragt werden. Sie wird laut Bundespolizei psychologisch betreut.

Die Polizei geht mittlerweile davon aus, dass die Vernehmungen erst in einigen Tagen stattfinden können. „Wir haben von einer zeitnahen Befragung Abstand genommen, weil die Zeugen noch unter Schock stehen. Das konnten wir nicht verantworten“, so ein Sprecher der Bundespolizei.

Die Kripo ermittelt

Der 20-Jährige sei laut Zeugen unmittelbar nach dem Vorfall wohl noch ansprechbar gewesen. Das aber sage nichts über die Schwere der Verletzungen aus. Zudem habe der junge Mann wohl eine Weile benommen auf dem Dach der Lok gelegen und sich dann vermutlich aus eigener Kraft zur Seite gerollt - dabei stürzte er auf eine Betonplatte im Gleisbett zwischen der S-Bahn und einer Gebäudewand.

Laut ersten Aussagen sei der junge Mann nicht alkoholisiert beziehungsweise betrunken gewesen. Die Kriminalpolizei hat die Ermittlungen aufgenommen.