Essen. Beherrschen Hooligans die Fankurve bei Rot-Weiss Essen? Bei der Vorführung der Nazi-Doku „Blut muss fließen“ mit anschließender Diskussion vor rund 500 Gästen war dies eine entscheidende Frage. Der Verein wird Rassisten die Rote Karte zeigen.

Rund 500 Fans von Rot-Weiss Essen (RWE) und Gäste, unter ihnen die erste Mannschaft, kamen am Freitagabend zur Vorführung des Films „Blut muss fließen – Undercover unter Neonazis“ in den VIP-Bereich des Stadions Essen. Die Diskussionen und Berichte in den vergangenen Wochen hatten auch in der Fanszene deutliche Spuren hinterlassen – das zeigte die anschließende Diskussion mit WAZ-Redakteur Marcus Schymiczek.

Wahrscheinlich wird der Journalist und Filmemacher Peter Ohlendorf selten so viele Zuschauer bei einer Vorführung seiner Neonazi-Reportage begrüßt haben, wie an diesem Abend. „Zu verdanken“ hatte er es einer rund 20-köpfigen Gruppe Hooligans, die Mitte Oktober die erste geplante Aufführung des Films in den Räumen des Awo-Fanprojektes unter Androhung von Gewalt verhindert hatten. „Wehret den Anfängen“ war dann auch das Credo dieses „Rückspiels“, das Verein, das Awo-Fanprojekt und Stadionbetreiber Grundstücksverwaltund Stadt Essen (GVE) auf den Spielplan gesetzt hatten.

Verein wird sanktionieren

„Als die Störer kamen hatten mir gerade zwei Vertreter der Ultras erzählt, dass sie ganz schnell ihre Banner wieder einrollen müssen, wenn die den Hooligans nicht passen“, brachte der anwesende Regisseur Peter Ohlendorf einen Ball ins Spiel, den wohl die meisten richtigen RWE-Fans am liebsten weit ins Aus spielen würden. Bestimmen tatsächlich altgediente Hooligans – wiederholt ins Gerede gekommen war die „Alte Garde Essen“ – was in der Kurve gespielt wird?

Das trifft den Fan ins Mark. „Ich bin bei jedem Spiel dabei und habe so etwas noch nicht erlebt. Wir haben unseren Kodex und der richtet sich gegen Rassismus“, stellte ein Besucher fest: „Wir haben ein Problem, aber das gibt es doch nicht nur beim RWE sondern in der ganzen Gesellschaft“, gab er einen Einblick ins Seelenleben der Fans und in die kontroversen Diskussionen der vergangenen Wochen. Auch die Ultras Essen, die größte von mehreren Gruppierungen des RWE, hatte in einem Interview mit einer Sportzeitung ihre Haltung gegen Rassismus und Diskriminierung unterstrichen. Offiziell angemeldet zum Film waren allerdings weder sie noch andere Gruppen. „Die führenden Köpfe waren aber da“, bemerkte Vereinspräsident Welling.

Stadionbesucher kam in "Thor Steinar"-Kleidung

Was tun? „Man hat immer Nazis im Stadion gehabt und wird sie auch weiterhin haben“, ließ Michael Gabriel, Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte der Deutschen Sportjugend, gar nicht erst Heile-Welt-Illusionen aufkommen. Im Verein sind die Rollen klar: Das Fan-Projekt soll vermitteln, der Verein selbst wird sanktionieren – wenn er die Täter vom Oktober identifiziert.

Wie schwierig aber handeln manchmal ist, zeigte ein Vorfall, bei dem die meisten Gäste erst einmal schlucken mussten: Im Stadion ist die Neonazi-Marke „Thor Steinar“ verboten. Nun saß aber ein Gast ungehindert von den Ordnern in genau dieser Kleidung im Publikum. Regisseur Ohlendorf machte die Versammlung darauf aufmerksam. Bevor es zum Eklat kam, war die betreffende Person verschwunden. Zum Gespräch kam es so aber auch nicht, der öffentliche Druck in der Situation hatte funktioniert. Ein Fan kommentierte dies so: „Rausschmeißen ist leicht, aber so wird man einfach wenig ändern. Ausgrenzen macht die Täter zu Märtyrern.“