Essen. Das „Oktorail“ in der Orangerie ist weit gediehen und soll Ende des Jahres öffnen. Die Modelle vom Industriehafen bis zum Alpenpanorama fertigen 40 Bastler. Erschlossen wird die Miniaturwelt durch eine Modelleisenbahn.
Die Apachen haben ihr Lagerfeuer schon aufgeschichtet, die Blaskapelle Aufstellung vorm Bahnhof in St. Moritz bezogen. Hirsche jagen quer über weiche, grüne Wiesen, dem mächtigen Alpen-Panorama fehlt nur noch der letzte Schliff: Seit Monaten drücken sich neugierige Grugapark-Besucher an der mit dunkler Folie verhangenen Orangerie die Nasen platt. Dahinter entsteht zurzeit eine ganz eigene, kleine Welt, deren Erschaffer Jens Kürvers an diesem Nachmittag enthusiastisch durch die achteckige Anlage führt: „Das wird einzigartig“, verspricht der 55-Jährige, wenn er über seine Miniaturwelt „Oktorail“ spricht.
Der Name leitet sich von der Form der Orangerie, dem Oktaeder ab. „Die ganzen Aufbauten in dieser achteckigen Halle zu realisieren, war für die Handwerker eine logistische Meisterleistung“, sagt Kürvers. Illusionskünstler Per Troosdal, der lange in New York arbeitete und heute in Berlin lebt, verpasst dem einst nüchternen Glaskasten seit einigen Tagen den täuschend echten Anstrich. „Im ersten Bereich der Ausstellung verfolgen die Besucher den Weg der Kohle bis zum Stahlwerk. Deswegen werden die Wände hier so gestaltet, wie auf Zollverein“, erklärt der Künstler, der sich einige Tage lang auf der Kokerei umgesehen hat, um die Industrie-Kulisse so detailgetreu wie möglich einzufangen. „Wir haben auf Schrottplätzen alte Lüftungsrohre besorgt, alles andere mit Gips modelliert“, erklärt Kürvers.
Weg der Kohle vom Ruhrgebiet bis nach Italien
Der Schwerpunkt der Miniaturwelt liegt auf dem außerschulischen Lernen. Vor allem Kinder sollen den Weg der Kohle über ein Stahlwerk bis hin zur Verladestation und den Weg über Bayern bis zu einem Automobilwerk in Norditalien nachvollziehen können. Neben der Landschaft ändert sich dabei auch das Zeitalter: „Wir beginnen in den frühen 1960er-Jahren. Schon im Eingangsbereich, wo ein alter Güterwaggon stehen wird. Anschließend arbeiten wir uns bis in die heutige Zeit vor“, erklärt Kürvers, der bei dem Mammutprojekt seine Ehefrau Christiane hinter sich weiß.
„Ich habe ihn ja schon mit diesem Hobby kennengelernt“, sagt die 46-Jährige und lacht. Sie ist auch in Sachen Nervenstärke eine sichere Bank: Schließlich gibt es bis zur geplanten Eröffnung gegen Ende des Jahres noch einiges zu tun. Nachdem die „groben“ Arbeiten in den nächsten Tagen abgeschlossen werden, geht es an die Feinheiten. Am 17. Oktober werden die verschiedenen Modelle, die von 40 Bastlern aus der gesamten Bundesrepublik in monatelanger Kleinstarbeit zusammengesetzt wurden, in der Orangerie aufgebaut. „Überraschenderweise haben sich unglaublich viele Freiwillige gemeldet, die einfach Spaß am Zusammenbau haben“, freut sich Kürvers.
Wo Kinder sich als Lokführer versuchen dürfen
Im oberen Bereich der Orangerie lässt sich bereits erahnen, wo die Reise hingeht. Dort entsteht ein Aufenthaltsbereich für Kinder, in dem sie sich selbst an größeren Modellen als Lokführer versuchen dürfen. Graffiti-Künstler haben die Wände bereits kindgerecht gestaltet, es geht in die Berge und den Wilden Westen. „In die Mitte kommt noch eine zehn Meter lange Holz-Eisenbahn“, sagt Kürvers, „außerdem planen wir einen Sitzbereich für die Eltern.“ Die Gastronomie in den benachbarten Räumen bleibt bestehen und wird auch die Besucher der Miniaturwelt versorgen.
Neben Kindern kommen natürlich auch Modelleisenbahn-Fans auf ihre Kosten: Der berühmte Rheingold-Express wird ebenso zu bestaunen sein, wie rund 80 weitere Züge aus allen Epochen der Deutschen Bahn. Das dürfte gerade auch ältere Besucher begeistern. Denn wie jeder weiß, gefallen Modelleisenbahnen den großen Jungs noch mehr als den kleinen.