Essen. . Essens Liberale können sich den Fall unter die Fünf-Prozent-Hürde kaum erklären. Einzig: Das Wahlergebnis sei wohl eine Quittung für die Regierungsbeteiligung.

Als die ARD-Hochrechnung um 19.31 Uhr auf der Mattscheibe erscheint , ist bei den Essener Liberalen das letzte Fünkchen Hoffnung erloschen: 4,5 Prozent. Statt sich – wie erhofft – nach der 18-Uhr-Prognose von 4,7 Prozent noch gen Fünf-Prozent-Hürde zu robben, ist auch Essens FDP-Vorsitzendem Ralf Witzel nun klar: „Das ist der bitterste Wahlabend, den ich bisher in 30 Jahren Mitgliedschaft erlebt habe. Wenn man vom Olymp kommt und dann einen Maulwurfhügel besteigt, kann man nicht zufrieden sein.“

Durchaus optimistisch hatten rund 20 lokale Freidemokraten und Sympathisanten den gestrigen Abend eingeläutet. In der rustikalen Atmosphäre im griechischen Restaurant unterhalb des Kruppschen Hains, beäugt von griechischen Gottheiten auf Wandplastiken, erhellt von einer Raumleuchte in Form des mythischen Schiffes „Argo“ – und gewarnt durch eine Keramik, die Achilles auf dem Streitwagen zeigt. „Das ist die Geschichte, die uns geblieben ist“, meint der griechische Kellner. Die Anwesenden rechnen noch nicht damit, dass die liberale Ferse getroffen ist.

Stromausfall bei der Auszählung

Um 18 Uhr kommen erste Vorzeichen. „Das gibt’s doch nicht“ kommentiert der junge Ratsherr Andreas Hellmann die Zahlen der Prognose. Entsetzte Gesichter, nach anfänglichem Jubel über die guten Zahlen der CDU. Auch Parteichef Witzel beruhigt nach der ersten Hochrechnung um 18.10 Uhr: „Um die Zeit wird doch noch nichts ausgezählt.“ Zu dem Zeitpunkt rechnet er noch mit einem langen Abend, erst um Mitternacht könne man klarer sehen.

Wohl eher nicht, denn gegen halb sieben fällt der Strom kurz unterm Dach aus. Bei Kerzenschein beginnen die ersten Gäste zu diskutieren, auf Essener Zahlen schaut man erst gar nicht. Die Gespräche drehen sich darum, ob ein Arzt namens Rösler der richtige fürs Wirtschaftsressort gewesen sei, ob der Abschlussslogan „Jetzt geht’s um ganze“ hilfreich gewesen sei. Kurz vor 19 Uhr, fliegt erneut die Sicherung heraus. Die Freidemokraten nehmen es mit Galgenhumor.

Das Tief der FDP

„Die CDU wurde in dieser Regierung mehr wahrgenommen“, meint Petra Hermann, Wahlkreiskandidatin im Süden. Deprimierter klingt Gerd Kolbecher, Vorsitzender des Kettwiger Ortsverbandes: „Ich bin sehr enttäuscht.“ Im Wahlkampf habe der Volkswirt viel Positives von Bürgern vernommen. Und nun? „Es ist schlimm, aber solche Tiefs hat es immer gegeben. Deswegen werde ich mich nicht vom liberalen Gedanken verabschieden.“

Geknickt ist auch der vergangene liberale OB-Kandidat Christian Stratmann: „Es ist schade, denn ich hätte mir gedacht, dass wir ein Stammwähler-Potenzial von fünf Prozent haben.“ Im Wahlkampf war er selber nicht aktiv. „Vielleicht ist deshalb das Ergebnis so“, witzelt er trotzig. Ratsfraktionschef Hans-Peter Schöneweiß, der ein wenig zu spät gekommen ist, fordert personelle Konsequenzen im Bund.

Dass da Rösler und Brüderle längst am Rudern waren, bemerkt er erst einen Augenblick später. Witzel spricht auch von einer Quittung für die Regierungsbeteiligung. Für die beiden bleibt nur die Flucht nach vorn, gen Kommunalwahl. Die mythischen Geschichtszeugnisse an der Wand würdigen sie dafür lieber keines Blickes.