Essen. Sarah wurde am Hauptbahnhof in Essen brutal verprügelt. Obwohl sie zuschauende Passanten ansprach, reagierte von denen niemand. Die 17-Jährige hätte sich mehr Zivilcourage gewünscht, als die Frau zuschlug, nach der der Polizei nun mit Fotos fahndet.

Sarah (Name geändert) lag vier Tage im Krankenhaus, weil sie nach einer Prügelattacke am Hauptbahnhof eine schwere Gehirnerschütterung erlitten hat. Eine fremde junge Frau hatte sie beleidigt, geschlagen, getreten und an den Haaren durch den Bahnhof gerissen, als Sarah mit zwei Freunden auf dem Weg zum Schwimmen war. „Die Beine tun mir immer noch weh“, sagt Sarah. Fast genauso schmerzt es sie aber, dass ihr fast niemand in der Not geholfen habe.

„Als sie angefangen hat zuzuschlagen, habe ich herumstehende Menschen um Hilfe gebeten, aber es kam keine Reaktion“, erzählt die 17-Jährige nun knapp vier Wochen nach dem Übergriff. Ihr Freund sei mit der Situation total überfordert gewesen, der andere hätte sich die ganze Zeit vergeblich vor sie gedrängt, sagt die 17-Jährige. All das habe sie nochmals auf dem Video bei der Polizei sehen können.

"Aber es hätte doch sofort jemand die Polizei rufen können."

„Dass da keiner zwischen geht, das habe ich mir eigentlich gedacht“, sagt Sarah. Wahrscheinlich hätte sie sich das auch nicht getraut, gesteht sie: „Aber es hätte doch sofort jemand die Polizei rufen können.“ Die Gaffer hätten nur dumm herumgestanden, darunter zwei Frauen um die 40 und Jugendliche, die das Ganze lächerlich gemacht hätten, weil sich zwei Mädchen prügeln. „Das hat mich am meisten getroffen“, sagt Sarah. Erst viel später, als sie schon schwer verletzt war, hat eine Frau der Angreiferin heißen Kaffee in den Nacken geschüttet. „Eine Verkäuferin hat mich in ihren Laden gezogen und den Krankenwagen gerufen.“

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Der Streit begann, als das fremde Mädchen an dem Tag (4. August) plötzlich auf der Rolltreppe hinter ihnen stand. „Geh aus dem Weg, du Fettsack“, habe sie gepöbelt und einen der Jungen gemeint. Sie beschimpfte die drei immer weiter, bis Sarah sie fragte: „Was hast du für ein Problem mit uns?“. Sie forderte das Mädchen auf, weiterzugehen. Die sei daraufhin ausfallend geworden. „Auch da habe ich nicht gedacht, dass es so endet“, sagt Sarah. Mit einem „halt die Fresse“ habe sie gerechnet, stattdessen rastete die Fremde völlig aus. „Sie hat mir erst eine geklatscht.“ Das hat Sarah als richtig bedrohlich empfunden. Hilflos habe sie ihre Plastikflasche geworfen. „Dann hat sie meinen Kopf heruntergezogen und mit dem Knie dagegen getreten“, sagt Sarah. Sie soll noch mal aufgestanden sein, aber davon weiß sie selbst nichts mehr. „Ich bin wohl hinter zwei Frauen gelaufen und habe um Hilfe gerufen.“

"Es kann jedem passieren."

Die Menschen direkt anzusprechen, war genau richtig, sagt Volker Stall von der Bundespolizei. Das erste Gebot für Helfer sei es dann, die Polizei zu rufen. „Reisende haben uns auch auf die Situation aufmerksam gemacht“, sagt er. Genau diese Zivilcourage hätte Sarah sich viel eher von den Zuschauern gewünscht, die bis zum Ende zugeguckt hätten. „Oder sie hätten wenigstens weitergehen sollen.“

Sarah war erst enttäuscht und wütend, heute ist sie ängstlich, meidet den Hauptbahnhof. „Aber ich kann ja jetzt nicht überall meine Mutter mit hinnehmen“, sagt sie. Und hofft, dass die Gaffer darüber nachdenken, dass das auch ihren Kindern hätte widerfahren können: „Es kann jedem passieren.“