Essen. . Sie hören nicht, und deshalb dürfen sie an manchen Kliniken kein Blut spenden. Betroffene sprechen von Diskriminierung, jetzt soll sich der Landtag einschalten.

Das Uniklinikum Essen sieht sich scharfer Kritik ausgesetzt, weil es Gehörlose nicht zur Blutspende zulässt.

Es begründet seine Ablehnung mit Kommunikationsproblemen, weil mit dieser Gruppe kein vertrauliches Arztgespräch möglich sei. Eine Entscheidung, die für das Uniklinikum Düsseldorf „nicht nachvollziehbar ist“. Bei ihnen könnten Gehörlose selbstverständlich Blut spenden, versichert Christina Völkel von der Blutspendezentrale dieser Klinik. Mittlerweile rudern die Essener auch zurück, nachdem ihnen in der Gehörlosenzeitung „Diskriminierung“ vorgeworfen wurde. Klinikum-Sprecherin Christine Harrell: „Wir werden eine Lösung finden, um allen gehörlosen Spendern die Möglichkeit anzubieten, zur Blutspende zu uns zu kommen.“

Antonia Ricke war empört, als sie im Dezember 2012 zur Blutspende ins Essener Uniklinikum ging. Nachdem sie auf einem Fragebogen „Ablesen“ als Verständigungsform angekreuzt hatte, verweigerte ihr eine Ärztin den Aderlass, berichtete die junge Frau in der Gehörlosenzeitung. Mundablesen sei nur zu 30 Prozent Verstehen, habe die Ärztin ihr erläutert. Der Rest sei Raten und deshalb zu unsicher für das Gespräch mit dem Arzt.

Später erklärte ihr die Klinikleitung schriftlich, dass eine reibungslose Kommunikation für ein vertrauliches Arztgespräch unerlässlich sei. Daran könne auch ein Gebärdensprachdolmetscher nichts ändern. Problematisch sei es auch, wenn es nach der Spende zu Komplikationen komme. Antonia Ricke fühlt sich an Diskriminierung erinnert: „Wir können eigenständig mit Stift und Papier kommunizieren.“

DRK besucht die Gehörlosen sogar

„Bei uns können sie spenden“, sagt Christina Völkel vom Düsseldorfer Uniklinikum: „Sie füllen Bögen aus. So kann man sich mit ihnen gut verständigen.“ Und wenn ein Mensch, der hören kann, plötzlich kollabiert, sei mit ihm ja auch kein Gespräch möglich. Für den Blutspendedienst West des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) sind Gehörlose ebenfalls kein Thema.

Sprecher Friedrich-Ernst Düppe: „Die einzige Richtlinie ist, dass der Spender gesund sein muss.“ Gehörlose würden vom DRK sogar gezielt aufgesucht: „Seit Jahr und Tag fahren wir regelmäßig zu ihnen, etwa ins Essener Berufsförderungszentrum für Gehörlose, um ihnen das Blutspenden zu erleichtern.“

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Das Klinikum Dortmund sieht zwar kein Problem mit Gehörlosen, wohl aber bei Blinden. Ursprüngliche Äußerungen, wonach Blinde dort könnten, korrigierte das Klinikum inzwischen. Pressesprecher Marc Raschke räumte ein, die Betreuung von Blinden sei sehr aufwendig, weil sie rechtlich notwendige Erklärungen nicht mit ihrer Unterschrift abzeichnen könnten. Dieses Problem werde aber jeweils aus dem Weg geräumt.

Gesundheitsausschuss greift das Thema auf

Am Mittwoch, 26. Juni, wird sich auf Antrag der SPD-Fraktion auch der Gesundheitsausschuss des NRW-Landtages mit dem Thema „Ausschluss Gehörloser von der Blutspende“ beschäftigen. Das dem Land gehörende Essener Uniklinikum will offenbar nicht mehr auf seiner harten Position bestehen. „Es war nicht unsere Absicht, jemanden zu verletzen“, versichert Sprecherin Christine Harrell. Die öffentliche Reaktion habe die Klinik auch „überrascht und getroffen“.

„Gehörlose mit Restgehör“ seien in Essen überdies schon seit Jahren zur Blutspende zugelassen. Bei Spendern ohne Restgehör sei der Ausschluss „zu ihrem eigenen Schutz“ beschlossen worden, weil „vor jeder Blutspende ein ärztliches Aufklärungsgespräch geführt werden muss“. Dort gehe es auch um sehr intime Fragen, so dass Gebärdensprachdolmetscher aus ihrer Sicht die Vertraulichkeit des Gesprächs verletzten. An einer Lösung werde bereits gearbeitet, sagt Christine Harrell.

Mit der Hamburger Hochschule für angewandte Wissenschaften habe das Essener Klinikum ein gemeinsames Forschungsprojekt initiiert: „Ziel ist es, eine sichere Kommunikation durch Übersetzung von Gebärdensprache in beide Richtungen möglich zu machen.“ Da hätten sie vielleicht einmal bei den Gerichten nachfragen sollen. Dort arbeiten regelmäßig Gebärdensprachdolmetscher, um auch bei komplizierten Fragen Kommunikation zu ermöglichen. Sogar „in beide Richtungen“.