Essen. Um alten Menschen möglichst lang ein Leben in ihrem Zuhause zu ermöglichen, wurde vor 50 Jahren die Familien- und Krankenpflege in Essen gegründet. Der Vision von damals fühlt man sich bis heute verpflichtet.

Es war die Zeit, als Essen eine Stadt im Aufbruch war, mit 730 000 Einwohnern und wachsendem Wohlstand. Lange bevor Begriffe wie Pflegenotstand und alternde Gesellschaft die Schlagzeilen dominierten: Als 1963 der Hauspflegeverein in Essen gegründet wurde, um alte und kranke Menschen in ihrem gewohnten Umfeld zu pflegen, war das so ungewöhnlich wie visionär. Jetzt feierte der Verein, der heute Familien- und Krankenpflege e.V. (FuK) heißt, seinen 50. Geburtstag.

Die Herzen und Hände des Vereins

Bei der Feierstunde erinnerte Ingeborg Schrader vom FuK-Vorstand an die damals neue Erkenntnis, „dass die Strukturen von Familie und Nachbarschaft nicht mehr ausreichen, um hilfsbedürftige Menschen zu Hause zu pflegen“. Aus einem christlich wie anthroposophisch geprägten Menschenbild heraus habe sich die Gründer-Generation entschlossen, den schwächsten Gliedern der Gesellschaft ein freies wie selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen: „Diese Vision versuchen wir bis heute auszufüllen.“

50 Jahre später ist im Zusammenhang mit Pflege meist nicht von Freiheit und Selbstbestimmtheit die Rede, sondern von Minutentakten und Pauschalen. Ein Denken, dem sich die Familien- und Krankenpflege nach Kräften entgegenstemme, sagt Geschäftsführer Dirk Brieskorn. „Der Patient darf nicht zur Ware werden.“ Darum freue er sich, dass neben Gästen aus Politik, Verwaltung und Wohlfahrtspflege 60 Mitarbeiter – also vor allem Mitarbeiterinnen – zur Feier ins Chorforum gekommen sind. „Sie sind die Herzen und die Hände des Vereins.“

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Man mag das als Eigenwerbung verbuchen, doch auch die grüne NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens ist zur Gratulation angereist und betont: „Normalerweise komme ich nicht zum Jubiläum eines Pflegedienstes, aber dieser Pflegedienst hat ein besonderes Menschenbild.“ Diesem Menschenbild sei es auch zu verdanken, dass er als einer der ersten überhaupt ambulant tätig wurde: „Um Menschen in Würde alt werden zu lassen – in ihrem Zuhause.“

Nachbarschaftlichen Geist wiederbeleben

Heute, da den meisten Menschen ein Plus an Lebensjahren geschenkt werde, müsse man noch mehr tun, damit in diesem Zuhause nicht Telefon und Fernseher der einzige Kontakt zur Außenwelt seien. Möglich sei das in Quartieren, in denen der nachbarschaftliche Geist wiederbelebt werde, der uns vor 50 Jahren abhanden kam. Dazu brauche es auch Pflegedienste, „die ihren Anker im Quartier haben“. Und es brauche die Tugenden, die die Familien- und Krankenpflege ausmachten: „Mut, Pioniergeist und einen ganzheitlichen Ansatz, der den Menschen in den Mittelpunkt stellt.“

Das wäre ein hübsches Schlusswort – aber nur die halbe Wahrheit. Darum sagt Steffens auch, dass sich die Rahmenbedingungen für die Pflege ändern müssen, damit sie den Bedürfnissen der Menschen auch gerecht werden könne. „Dafür werden wir streiten müssen.“