Essen. . Was die Stadt Essen nicht schafft, machen zwei junge Herzblut-Essener mit links: Sie präsentieren Essen auf Facebook und posten Themen aus den Bereichen Gastronomie, Kultur, Sport und Kommunalpolitik. Dies kommt bei den Lesern gut an. Entstanden ist die Idee der beiden Kinderpfleger in einer Kneipe.

In einer Zeit, in der moderne Kommunikationsmittel wie Internet, Smartphones und Tablet-Computer den Alltag immer hektischer werden lassen, wird im Rathaus, genauer im Presse- und Kommunikati­onsamt, auf Ruhe und Gelassenheit gesetzt. Seit November 2011 tüftelt man dort ein einem „Social-Media-Konzept“ für Essen, das einen Auftritt im sozi­alen Netzwerk „Facebook“ (FB) vorsieht. Wegen des Medieninteresses wurde Essens offizielle Seite, das „Stadtportal Essen“, bereits im Juli 2012 „scharf gestellt“, wie der Leiter der Onli­neredaktion, Michael Wolf, damals im NRZ-Gespräch betonte. „Der Startschuss der aktiven Betreuung dieser Fan-Page ist für Herbst vorgesehen“, hieß es weiter; gemeint war Herbst 2012. Getan hat sich seither nichts; bis auf ein paar Fotos, die fix hochgeladen wurden, besticht die FB-Seite durch gähnende Leere und das trotz mittlerweile fast 1000 Fans.

Die Feinstrategen grübeln noch

Einen neuen Stand der Dinge gebe es bis dato noch nicht, betont Pressereferentin Renate Kusch: „Wir arbeiten an der Feinstrategie. Es gibt immer noch rechtliche Fragen, die zu klären sind.“ Und auch die des Personals, das sich künftig darum kümmern soll. Kusch: „ Mit der Personalfrage beschäftigen sich derzeit ganz viele Menschen in der Stadtverwaltung. Es gibt dafür viele Arbeitsgruppen, die das aufar­beiten.“ Antworten auf Fragen oder zu Kommentaren auf der Seite gibt es nicht, was manchen Besucher verstört und ärgert: „Hallo? Ist da jemand?“, fragt etwa „Mikai Be“. Holger Gottesmann will wissen: „Wann passiert hier mal etwas?“ Und Sebastian Brandt kommentiert: „Lob an die Stadt Essen: Besser verstecken kann man den Fa­cebook-Auftritt der Stadt gar nicht als es jetzt schon getan wird!“

Ob und wann das Portal denn nun mit Leben gefüllt werden soll, und ob dies noch dieses Jahr der Fall ist, lässt Pressereferentin Kusch hingegen offen: „Leider verläuft die ganze Sache etwas träge. Ich nenne aber kein Da­tum mehr, wann wir loslegen.“ Dass die rechtlichen Fragen wohl anderswo im Konzern Stadt schon lange geklärt sind, zeigen die zum Teil gut genutzten FB-Seiten städtischer Töchter wie der Evag, des Museum Folkwang, der Volkshochschule, der Jugendarbeitervertretung der Stadtverwaltung, der Berufskollegs West und Ost sowie des Grugaparks.

Machen statt reden

Dass es auch anders gehen kann, beweisen hingegen Kevin Baensch und Simon Reufels. Denn sie machen anstatt zu reden. „I love Stadt Essen“, heißt die Facebook-Seite, die Reufels im Oktober 2011 gründete und die nunmehr 5317 „Gefällt-mir-Klicker“ hat, wie er die Fans gerne nennt. Warum der 24-Jährige und sein 22-jähriger Kollege die Seite ins Leben gerufen haben? Reufels: „Wir lieben Essen und wollen den Menschen zeigen wie un­terschiedlich, einzigar­tig und vielseitig diese Stadt ist.“

Angefangen habe alles bei einem Bier in der Borbecker „Dampfe“, als Reufels seinem Kollegen von seiner Idee erzählte. Ohne, dass irgendetwas auf der Seite veröffentlicht wurde, hatte sie nach ei­nem halben Jahr über 150 Gefällt-mir-Klicks. „Daraus müssen wir etwas machen“, meinte Baensch damals. Beide hatten sich in der Ausbildung zum Kinderpfleger kennengelernt und sind seither beste Freunde. Ihre Zielgruppe sind alle Essener; der Großteil jener, de­nen die Seite gefällt, ist jedoch im Alter zwischen 25 und 35 Jahren.

Themen aus Gastronomie, Kultur, Sport und Kommunalpolitik

„Facebook macht’s leicht, die Leute zu erreichen. Da ist eigentlich jeder“, sagt Reufels. Zeitaufwendig ist ihr Hobby alle Male, denn die zwei machen Beiträge über eigentlich alle Themen aus Gastronomie, Kultur, Sport und Kommunalpolitik. „Wobei Rot-Weiss Essen beim Sport doch sehr überwiegt“, so Reufels. Er beschäftigt sich auch gerne mit der Geschichte Essens, knipst Fotos am Baldeneysee, stellt sie ins Netz oder schreibt über Schloss Hugenpoet in Kettwig. Ob Thomas und Axel Stauder oder RWE-Chef Michael Welling – in gut 25 Videos haben er und Baensch prominente Bürger schon vorgestellt und mit ihnen über Essen geredet. Nun starten beide mit „Essen, dein Stadtteil...“ eine neue Kurzfilmreihe. „Wir machen kleine Beiträge, in denen wir versuchen, den Leuten Essen näher zu bringen – also quasi kleine Image-Filme“, so Reufels.

Ihre Idee fand auch die Stadt interessant. Und trat bereits 2011 an beide heran. „Sie wollten unsere Beiträge bei sich veröffentlichen und auch Interviews mit Bezirksvertretern haben. Aber das wollten wir nicht – das ist zu langweilig und interessiert un­sere Zielgruppe absolut nicht“, sagt Reufels. Er und Baensch machen lieber als Zweierteam weiter. Und ohne die Stadt. Dann wird’s auch was.

Die Stadt Essen auf Twitter

„Die Stadt Essen arbeitet an ei­nem Social Media Konzept“, heißt es ebenso bei „Twitter“. 288 Fans folgen „@essenSTREUTnews“ auf der digitalen Echtzeit-Kommunikationsplattform im Internet und finden dort nur eins: Informationen zum Winterdienst. Und die „nur eingeschränkt“, wie das Presseamt betont. 76 Einträge haben die Mitarbeiter dort hinterlassen; der letzte stammt vom 6. Februar.

Dass es anders geht, zeigt die Stiftung Zollverein (@Zollverein), die täglich über Aktionen auf dem Welterbe-Areal berichtet. 640 mal hat das Team schon gezwitschert; 737 Fans sind das Ergebnis.