Essen. Seit mehr als einem Jahrhundert hat der Essener Energieriese RWE die städtische Stromversorgung in seiner Hand. Doch nun muss der Konzessionsvertrag für das Netz neu ausgeschrieben werden. Um den richtigen Bewerber zu finden, diskutiert die Politik nun über die Vergabekriterien.

Als vor eineinhalb Jahrzehnten mit „Yello“ in Deutschland eine neue Strom-Marke an den Start ging, brachte die begleitende Werbekampagne Farbe ins Spiel: „Also ich glaube, Strom ist gelb“, hieß es da. Heute, da Wettbewerb auf dem Energiemarkt längst grauer Alltag ist, gilt der Spruch von einst in abgewandelter Form noch immer: „Also ich glaube, Strom ist Geld.“ Vielleicht nicht mehr jene „Lizenz zum Gelddrucken“, wie man zu Monopolzeiten über RWE und Co. noch spottete. Doch auch die Regulierung hat nicht verhindert, dass sich mit dem Betrieb von Stromnetzen weiterhin gut Geld verdienen lässt.

Wie gut, dafür mag der Andrang der Bewerber um den ab 2015 geltenden neuen Essener Konzessionsvertrag beim Strom ein Gradmesser sein, dessen Meldefrist Ende März ausläuft. Im Konzessionsvertrag räumt die Stadt einem Energieunternehmen das Recht ein, städtische Straßen, Wege und Plätze fürs örtliche Stromversorgungsnetz zu nutzen – eine Erlaubnis, die sich die Stadt zum Nutzen ihrer Bürger gut bezahlen lässt: Rund 32 Millionen Euro beschert sie dem Stadtsäckel, und die überweist – RWE.

Die Ausschreibung ist vorgeschrieben

Seit mehr als einem Jahrhundert hat der in der Stadt beheimatete Energieriese die Stromversorgung unter seinen Fittichen, und würde auch weiter gern im Geschäft bleiben – die Bewerbung dazu ist unterwegs, so ließ man von Seiten der RWE Deutschland verlauten. Es gibt nicht wenige, die hätten ohne viel Aufhebens gern mit dem alten Partner verlängert, doch das Energiewirtschaftsgesetz schreibt eine Ausschreibung vor.

Und so muss sich die Politik in diesen Tagen mit der Frage beschäftigen, welche Kriterien man auf der Suche nach dem Konzessionsnehmer von morgen anlegt. „Eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche Versorgung der Einwohner und Gewerbetreibenden im Stadtgebiet“ verlangt der Konzessionsvertrag in seiner Präambel, aber welches Bewerber-Unternehmen würde da widersprechen?

Also hat man im Rathaus zusätzliche Kriterien gesucht und gefunden, testet die Kooperationsbereitschaft der Bewerber aus, schreibt Rabatte für den städtischen Eigenbedarf vor, fragt nach der Nutzung umweltschonender Fahrzeuge und der Bereitschaft, auch über dezentrale Stromerzeugungs-Anlagen nachzudenken. Selbst der Schutz der Piepmätze auf Freileitungen und das Angebot „intelligenter“ Stromzähler gibt Punkte . Nur zu gerne hätte mancher der Stadt mit dem Strom-Konzessionsvertrag auch üppige Gewerbesteuer-Zahlungen oder Arbeitsplätze gesichert. Dass man am Ende darauf verzichtet und allenfalls durch die Blume derlei Wünschenswertes formuliert, liegt an einer ungeklärten Rechtslage, die man nicht ausreizen will – mit der Folge, am Ende womöglich in vergaberechtliche Fettnäpfchen zu treten. Immerhin bindet man sich für zwei Jahrzehnte.

Den Kaufpreis fürs Netz kennt noch keiner

Wen auch immer die Stadt am Ende als besten Anbieter kürt – er bindet sich mit dem Strom-Konzessionsvertrag bis zum Silvestertag des Jahres 2034. Nur die Stadt kann zum Ende des zehnten und noch einmal zum Ende des fünfzehnten Jahres den Vertrag kündigen, so sieht es zumindest der Vertragsentwurf vor.

Der atmet in all seinen Bestandteilen das Gefühl, dass sich nur die Dickschiffe der Energiebranche trauen sollten, das Stromgeschäft mit der Stadt zu wagen. Kein Wunder, dass sich dieser Tage die Bürgerinitiative EnergieNetzRheinRuhr, kurz: „ENeRRgisch“, mit einem offenen Brief an Oberbürgermeister Reinhard Paß zu Wort meldet. Darin appelliert man an den Rat, in den Konzessionsvertrag eine ergänzende Bestimmung aufzunehmen, nach der sich fünf Jahre nach Start des Vertrages, also ab 2020, Bürger in Form einer „Bürgernetzgesellschaft“ am Netzkauf beteiligen können.

Gutachter wäre gefragt

Dabei lässt die Initiative durchblicken, dass sie sich eine frühzeitigere Möglichkeit gewünscht hätte, auch auf Bürgerebene in der Diskussion mitzumischen. So hätte es der Stadt etwa im Rahmen des Projektes „Essen 2030“ „gut angestanden“ eine Frage von so langfristiger Bindung der Stadtgesellschaft zu diskutieren.

Dabei ist, Bürgerbeteiligung hin oder her, längst noch nicht klar, wie teuer das 5250 Kilometer lange Essener Stromnetz – darunter 3450 Kilometer in Niederspannung – einen möglichen Käufer kommt. Der Preis, so bestätigte die Eigentümergesellschaft Westnetz GmbH, eine RWE-Tochter, werde im Falle eines Wechsel-Falles durch ein gutachterliches Verfahren ermittelt.

Kenner der Materie aber wissen, mit welchen Zahlen sie zu kalkulieren haben. Wenn’s denn dazu kommt, wenn denn die Stadt Essen beim Strom überhaupt „von RWEg geht“. Denn Strom ist – Geld.