Essen. Gesamtschule Nord fiel bei den Anmeldungen durch. „Unser Image entspricht nicht der Realität“, so der Leiter.
Im Fußball spräche man von einer herben Klatsche, nur dass es hier nicht um die schönste Nebensache der Welt, sondern um den Ernst des Lebens geht. Lediglich 58 Anmeldungen: So lautete das Resultat der Gesamtschule Nord, nachdem sich vergangene Woche die Gesamtschulen in der Stadt den Eltern der jetzigen Viertklässler geöffnet hatten. 58 Anmeldungen – das sind gerade mal zwei Klassen, dabei soll der Jahrgang im Sommer fünfzügig starten, 140 Plätze sind zu vergeben.
„Natürlich sind wir nach diesen Zahlen geschockt“, sagt Schulleiter Thomas Keller. Das eigene Ergebnis war umso erschreckender, als die Anmeldungen für die Gesamtschulen an sich erneut ein voller Erfolg waren. Die Eltern jedes vierten Kindes sähen ihren Nachwuchs gern an dieser Schulform untergebracht, mehr als 100 werden nicht zum Zuge kommen. Doch der Zuspruch ist höchst ungleich verteilt. Während einige Standorte, etwa die Frida-Levy-Gesamtschule in der Innenstadt oder die Gustav-Heinemann-Gesamtschule in Schonnebeck, sich vor Bewerbern kaum retten konnten und die Zahlen auch sonst überall stiegen oder zumindest stagnierten, ging das Interesse an der Erich Kästner-Gesamtschule in Steele deutlich und an der Gesamtschule Nord in Vogelheim dramatisch zurück.
Schwierige Schülerstruktur als Grund
Woran liegt’s? Thomas Keller macht keinen Hehl daraus, dass die Schule einen schlechten Ruf hat – zu Unrecht, wie er findet. „Anscheinend ist eine beträchtliche Schieflage entstanden zwischen Image und Realität.“ Selbst im direkten Umfeld kann die Schule nicht wirklich punkten – dabei wäre sie mit ihrer Randlage gerade auf die Kinder aus der Nachbarschaft angewiesen. Vogelheim ist mit knapp 6.000 Einwohnern einer der weniger dicht besiedelten Stadtteile Essens. „Es tut weh, wenn Kinder, die im Prinzip auf der anderen Straßenseite wohnen, erstmal anderswo angemeldet werden.“
Ihre Eltern wollen offenbar eine Schule umgehen, deren Schülerstruktur schwierig und „eher untypisch für eine Gesamtschule“ ist, so Keller. Rund 70 Prozent der Fünfklässler haben lediglich eine Empfehlung für die Haupt-, die übrigen 30 Prozent für die Realschule. Mit Abitur-Ambiotionen kommt hier kaum jemand hin. Ebenfalls rund 70 Prozent der Schüler haben einen Migrationshintergrund, 40 bis 45 Prozent stammen aus Familien, die von Hartz IV leben.
Hoffen auf die zweite Runde
Gemessen an dieser Ausgangslage sei die Schule durchaus erfolgreich, findet Keller. Die Hälfte der Schüler erreiche nach Klasse 10 einen mittleren Schulabschluss, 25 bis 30 gingen sogar in die gymnasiale Oberstufe. Er verweist auf eine Reihe von Projekten und Förderprogrammen, etwa im Bereich Deutsch. Er berichtet vom Stadtteilfest, bei dem die Schule sich intensiv einbrachte, und vom engen Kontakt zu den Grundschulen, den man weiter verstärken wolle. „Wir werden nicht hinnehmen, dass sich aus punktuellen Ereignissen ein falsches Bild ergibt.“
Schließlich haben Keller und seine Kollegen auch das Schicksal der Gesamtschule Süd vor Augen, die mangels Anmeldungen ausläuft. Haben sie Angst, dass es ihnen im Norden ähnlich ergehen könnte, wenn der Abwärtstrend nicht gestoppt wird? „Natürlich hat man nach diesen Zahlen Angst davor, deshalb dürfen wir nicht lockerlassen.“
Die Anmeldezahlen an der Gesamtschule Nord entsprachen auch zuvor schon nicht den Erwartungen, diesmal aber war der Einbruch besonders heftig. Zum Schuljahr 2012/13 wurden 94 Kinder angemeldet, jetzt waren es noch 58. Demgegenüber stehen 140 Plätze in fünf Klassen. Schulleiter Thomas Keller ist dennoch zuversichtlich, „dass wir im Sommer mit voller Besetzung starten“. Viele Eltern hätten die Gesamtschule Nord zwar nicht als Erst-, aber als Zweit- oder Drittwunsch angegeben.