Essen/Duisburg/Düsseldorf.. Auf Gehwegen und Bürgersteigen offenbaren sich derzeit vielerorts in NRW zum Teil erheblich Schäden. Locker liegende Gehwegplatten werden zu Stolperfallen. Die Stadt Essen bestätigt mehr Schäden als sonst. In der Straßenbauer-Innung Essen sieht man als Grund dafür den Frost, aber auch Schlamperei.

Es macht derzeit viel Sinn, beim Spaziergang ein Fotohandy dabei zu haben. So jedenfalls empfielt es die in Düsseldorf ansässige Arag-Versicherung - "zur Beweissicherung". Hintergrund sind Gehwegschäden, die in diesen Tagen in vielen Städten an Rhein und Ruhr zu finden sind. Ob in Düsseldorf, Duisburg oder Essen: Auf Bürgersteigen liegen oftmals auch großflächig Gehwegplatten locker auf, deren Kanten zur Stolperfalle werden.

"Wir haben in diesem Jahr ein größeres Problem mit Gehwegplatten", bestätigt etwa Jeanette Kern, Sprecherin der Stadt Essen. Gut 150 Bürgerbeschwerden würden derzeit täglich im dortigen Amt für Straßen und Verkehr landen. Bisher habe man zudem acht Gehwegunfälle registriert wegen wackliger Gehwegplatten.

In Duisburg gingen aktuell bis zu 85 Beschwerden am Tag ein, sagt Sarah Mdaghi von den Wirtschaftsbetrieben: "Die Zahl der Schäden ist aktuell relativ hoch". Auch in Düsseldorf fallen viele Gehwegschäden ins Auge. In der städtischen Schadens-Datenbank seien aktuell 100 Gefahrpunkte auf Gehsteigen notiert, die mit Warnbaken gesichert seien, berichtet Roland Hahn, Vizechef im Amt für Verkehrsmanagement.

Kommunen sind verantwortlich für sichere Gehwege

Anders als beim Schneeräumen, zählt der Zustand der Gehwege zur "Verkehrssicherungspflicht" der Kommunen. Jetzt zu reparieren, "macht keinen Sinn", sagt Roland Hahn, "solange Frost herrscht". Das kalte Wetter und die lange Regenperiode im Dezember wiederum sind aus Sicht der Stadt Essen Grund dafür, dass viele Gehwege jetzt "aufplatzen".

Bei dieser Warnung sollten die Menschen vorsichtig sein: Auf vielen Gehwegen können sie sich derzeit böse verletzen, weil Gehwegplatten locker sind.
Bei dieser Warnung sollten die Menschen vorsichtig sein: Auf vielen Gehwegen können sie sich derzeit böse verletzen, weil Gehwegplatten locker sind. © Dirk Bauer, WAZ FotoPool | Unbekannt

Nach 30 bis 50 Jahren müssten Bürgersteige in der Regel saniert werden, erläutert Lutz Pollmann, Chef des Straßen- und Tiefbauverbands NRW. Dann sei der Untergrund so verdichtet, dass Wasser kaum noch abfließen und Frost die Platten nach oben drücken könnte. Dass Gehsteige mitunter schneller kaputt gehen, hat Gründe: zum Beispiel Baumwurzeln und defekte Wasserleitungen, auch parkende Autos. Lutz Pollmann: "Das hält kein Bürgersteig auf Dauer aus".

Moderne Bürgersteige sind haltbarer

Noch bis weit in die 1990er Jahre seien Gehsteige "ohne Trag- und Frostschutzschicht auf einer etwa fünf Zentimeter dicken Ausgleichsschicht aus Bettungsmaterial direkt auf dem anstehenden Boden verlegt worden", erklärt Sarah Mdaghi von den Wirtschaftsbetrieben Duisburg. Das Ergebnis kann man jetzt sehen: Durch Frost und Tauwetter, aber auch durch Streusalz, gerät der Untergrund in Bewegung. Das führt zu Unebenheiten an der Oberfläche.

Moderne Bürgersteige heute seien haltbarer, sagt Mdagh. Sie würden "in der Regel aus Betonsteinpflaster auf einer Schotter-Tragschicht gebaut." Diese Tragschicht diene gleichzeitig dem Frostschutz und sei "durch eine kornabgestufte Mineralstoffzusammensetzung" wasserdurchlässig. Positive Folge: "Schadensbilder durch Frost sind auf diesen Flächen eher selten", sagt Mdaghi.

Gehwegschäden durch Schlamperei bei Elektro- oder Rohr-Arbeiten

Aus Sicht von Helmut Oehler, Obermeister der Straßenbauer-Innung in Essen, gibt es noch eine andere Erklärung für Schäden auf Gehwegen: Kostendruck bei den Kommunen und Schlamperei bei Bauarbeiten. "Meistens frieren Gräben hoch", stellt Oehler fest; also Stellen, an denen der Bürgersteig schon mal bei Bauarbeiten aufgerissen war, sagt der selbstständige Verkehrsbau-Ingenieur und öffentlich vereidigte Sachverständige für Straßen- und Tiefbau.

Lange vorbei seien die Zeiten, dass aufgerissene Straßen in Essen nur von Fachfirmen geschlossen werden durften, erinnert sich Oehler: "Bei Elektro- oder Rohr-Arbeiten darf das in Essen mittlerweile jedes Unternehmen". Dabei würden Fehler gemacht. Frost-Schäden könnten zum Beispiel entstehen, wenn für den Unterbau der Gehwegplatten zu lehmhaltiger Sand verwendet wurde. Oehler: "Der Unterbau muss wasserdurchlässig sein".

Schäden an Bürgersteigen - "das gibt sich bald wieder"

In Düsseldorf ist Roland Hahn überzeugt davon, dass sich die Gehwegschäden in den nächsten Wochen "von selbst wieder geben werden". Sobald der Frost nachlasse, würde die Stadt schadhafte Stellen "reparieren lassen". In Duisburg wird erstmal geflickt. Die Stellen würden "im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten" erstmal mit Sand abgestreut, heißt es dazu bei den Wirtschaftsbetrieben. Die Kosten hat die Kommune zu tragen. Duisburg etwa gab im vergangenen Jahr 2,9 Millionen Euro für den Unterhalt seiner Straßen und Wege aus. Die sind fast so lang, wie die DDR-Grenze war: 1361 Kilometer.

Ein Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem vergangenen Juli macht den Kommunen dabei Druck, sich um Straßen und Wege zu kümmern. Grund dafür war die Klage einer Seniorin, die im September 2009 im Berliner Bezirk Pankow auf einem Gehweg gestürzt war. Gutachter ermittelten damals, dass sie mit dem Fuß in einem etwas mehr als zwei Zentimeter tiefen Loch hängen geblieben war. Der BGH sprach der Frau nicht nur letztinstanzlich Schmerzensgeld zu, sondern stellte klar, dass Kommunen sich bei Gehwegschäden nicht damit herausreden könnten, ihnen fehlte das Geld für eine Sanierung. Für Kommunen gelte eine "Amtshaftung".

Gerichte setzen Zentimeter-"Grenzwert" bei Stolperkanten an

Laut einer Urteils-Übersicht beim "Deutschen Institut für Treppensicherheit" habe sich bei den Gerichten im Umgang mit Klagen nach Sturzverletzungen ein "Grenzwert" etabliert: Stolperkanten müssen demnach mindestens zwei Zentimeter hoch sein. Zudem spiele es in derartigen Streitfällen auch eine Rolle, ob man in seiner Nachbarschaft stürzt oder ortsfremd ist.

Wer für einen Schaden haftet, hängt nach den Worten von Sarah Mdaghi bei den Duisburger Wirtschaftsbetrieben "vom Einzelfall ab". Zu klären wäre beispielsweise, ob die Stadt die Reparatur verschleppt hat, der Fußgänger aufmerksam genug unterwegs war - und ob nicht gar Anlieger die Schäden am Gehweg zu verantworten haben, etwa durch Streusalz.

Unfallversicherer zählt 190.000 "Wegeunfälle" bundesweit

Dass es dabei einige Streitfälle mit Kommunen gibt, geht aus einer Zahl des Dachverbands der Gesetzlichen Unfallversicherungen hervor: Die Berufsgenossenschaften haben 2011 insgesamt rund 1,9 Milliarden Euro für die Folgen von "Wegeunfällen" bei Arbeitnehmern aufgewendet. 420 Millionen Euro davon wurden als Regressanspruch gestellt, zum Beispiel gegenüber Kommunen.

Insgesamt zählte man beim Dachverband der Unfallversicherer im Jahr 2011 knapp 190.000 Wegeunfälle bundesweit, die meisten davon beim Autofahren. Durch die Berufsgenossenschaften versichert sind nur Wegeunfälle auf dem "kürzesten und direkten Weg". Ausnahme sind "erlaubte Umwege", wozu Fahrgemeinschaften zählen, aber auch das Absetzen von Kindern bei Kita oder Schule.

Bei der Arag-Versicherung empfielt man im Falle eines Sturzes nicht nur ein Fotohandy: "Man sollte den Unfallort dokumentieren mit dem Zustand des Weges". Hilfreich sei dabei auch, Zeugen zu benennen. In Duisburg muss man lange nachdenken, um sich an einen Gehwegunfall mit Versicherungsfolgen in der Stadt zu erinnern. "Der letzte frostbedingte Fall stammt aus dem Jahr 2010", sagt Sarah Mdaghi von den Wirtschaftsbetrieben. Pro Jahr gebe es in der Stadt etwa 70 Stolperunfälle auf Gehwegen.