Essen.. Die Klappe in der Wand des Hauses Nazareth öffnete sich in diesem Jahr zwei Mal. Drei Mütter allerdings gaben ihre Anonymität auf und ihre Kinder zur Adoption frei.

Das Babyfenster an der Beethovenstraße hat sich in diesem Jahr für zwei Neugeborene geöffnet – und ihnen eine Perspektive eröffnet, die ihre verzweifelten Mütter ihnen nicht hatten bieten wollen oder können. Zwei Säuglinge in einem Jahr, „das ist eine Zahl, die uns nachdenklich stimmt“, sagt Björn Enno Hermans, Geschäftsführer des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) und Sprecher des Vereins Essener Babyfenster.

Seit 2001 öffnete sich die Klappe in der Wand des Hauses Nazareth im Südviertel für 16 Mädchen und Jungen. Nur ein einziges der Kinder wurde im vergangenen Jahr nach eingehender Prüfung und einer Erbgut-Untersuchung an seine leibliche Mutter zurückgegeben.

Die junge Frau hatte sich wenige Tage nach ihrer Entscheidung an den Notruf der Einrichtung gewandt, ihre Ausnahmesituation, die sie zu der Verzweiflungstat getrieben hatte, geschildert und gebeten: Gebt mir mein Baby zurück! Alle anderen Eltern blieben bis heute unbekannt – doch ihre Kinder leben, in Adoptivfamilien.

Kinder waren kerngesund

Beide Babys dieses Jahres waren kerngesund, als sie in die Obhut der Helfer kamen. Acht Wochen wurden die Kleinen in ehrenamtlichen Bereitschaftsfamilien betreut, bevor sie von den Menschen adoptiert wurden, bei denen sie nun vielleicht nur deshalb aufwachsen dürfen, weil ihre Mütter sie anonym an einem sicheren Ort ablegen konnten.

Deshalb ist das nicht unumstrittene Babyfenster für Hermans nach wie vor „ein unverzichtbares Angebot, um das Leben des abgegebenen Kindes zu schützen“. Die letzte Lösung sozusagen, wenn alle anderen Hilfsangebote von den Frauen in ihrer Verzweiflung nicht angenommen werden.

Dass der Sozialdienst katholischer Frauen und der Babyfenster e.V. in den vergangenen Jahren trotz aller Kritik unter anderem des deutschen Ethikrats eigentlich alles richtig gemacht haben rund um ihr lebensrettendes Angebot an der Beethovenstraße, bescheinigte zuletzt das deutsche Jugendinstitut in einer Studie im Auftrag der Bundesregierung.

Hilfe angenommen

Seitdem gilt das Essener Modell als so etwas wie eine Blaupause für Berlin, weil es das Babyfenster in ein Netzwerk von Hilfsangeboten für Frauen und Eltern einbettet, die in der Schwangerschaft oder nach der Geburt eines Kindes in Not geraten.

Es ist die letzte Anlaufstelle für eine kleine Gruppe von Frauen, die nicht aus ihrer Anonymität herauskönnen – trotz aller Bemühungen eines ebenso anonymen Beraters an der Telefon-Hotline ( 0800 0102210, rund um die Uhr und kostenlos).

Immerhin ist dies in diesem Jahr drei Mal gelungen: Drei junge Mütter sind über ihren Schatten gesprungen, haben Hilfen angenommen und mit dafür gesorgt, dass ihre Kinder in Adoptivfamilien ein neues Leben fanden – ohne das Babyfenster zu öffnen.

Die Einrichtung

Das „essenerBabyfenster“ besteht aus einem Kreis von mehr als 70 Ehrenamtlichen, Fachdiensten des Sozialdienstes Kath. Frauen Essen-Mitte e. V. (SkF) und der Arbeitsgemeinschaft der Frauenorden im Bistum Essen. Der im Jahr 2000 gegründete Verein will Eltern in einer für sie ausweglosen Notlage helfen und das Leben des Kindes schützen.

Beim Öffnen des Fensters zur Übergabe des Kindes fällt automatisch ein in acht Sprachen verfasster Brief in die Hände, in dem alle Informationen und Hilfsmöglichkeiten sowie der Weg zur Kontaktaufnahme vermerkt sind. Das anonym übergebene Kind wird in den acht Wochen bis zur Abklärung aller Optionen für Mutter und Kind ärztlich versorgt und in einer ehrenamtlich tätigen Familie betreut.

Falls die Eltern bis dahin keinen Kontakt aufnehmen, erfolgt eine Adoptionsvermittlung. Auch nach diesem Zeitraum ist eine Kontaktaufnahme der Eltern sowie ihre anonyme Beratung möglich und bleibt erwünscht.