Essen. Bei Anruf Koks. Im Stil eines Pizza-Lieferservices baute eine Bande aus Dealern ein Drogennetz zum Verkauf von Kokain und Marihuana im Essener Norden auf. Jetzt arbeitet das Landgericht die einzelnen Fälle auf. Seit Dienstag muss sich ein 20-Jähriger vor der Jugendkammer verantworten.
Anruf genügte. Und schon kam das Koks-Taxi zum Kunden. Im Stil eines Pizza-Lieferservices baute eine Bande aus Dealern ein Drogennetz zum Verkauf von Kokain und Marihuana im Essener Norden auf. Selbst Urlaubsvertretungen gab es. Jetzt arbeitet das Landgericht die einzelnen Fälle auf.
Manch einer dürfte sich an den Film „Lammbock“ erinnert fühlen. Da war die Spezialität eines Pizzabäckers die „Pizza Gourmet“ mit dem Alupäckchen voll Marihuana unter der mittleren Salamischeibe. Doch auf die Pizza verzichtete das Katernberger Koks-Taxi, das von Mitte 2011 bis Mai 2012 im Essener Norden fuhr. Hätten die Bandenmitglieder ihre Organisationstalente sogar für den Aufbau eines legalen Geschäftszweiges eingesetzt, es hätte ihnen einige Jahre Haft erspart. Aber ihre Branche warf eben höhere Gewinne ab. Als die Polizei im Mai die Bande mit einer Razzia hochgehen ließ, stellte sie neben Rolex- und Breitlinguhren auch ein Porsche Cabrio und einen AMG Mercedes (angeblicher Zeitwert 165.000 Euro) sicher.
Rund 60 Abnehmer
Zwei Gruppen der aus Nordafrikanern und Libanesen bestehenden Organisation teilten sich den Markt im Norden auf. Der eine Kreis saß in einem Café in Altenessen und verkaufte dort, der andere wartete auf Anrufe. Mengen brauchten die Zwischenhändler und Drogensüchtigen nicht zu nennen, wenn sie den Stoff bestellten. Schon fuhr ein VW Golf oder ein Opel Corsa los und lieferte die Ware an einen der rund 60 Abnehmer.
Gearbeitet wurde im Schichtdienst. Arbeit gab es genug: In den Niederlanden wurden die Rauschgifte gekauft, in Essen gestreckt und portioniert für den Einzelverkauf. Bei Personalengpässen, etwa wenn einer der Dealer im Urlaub war, vertraten die Gruppen sich auch gegenseitig. Gab es mal Lieferschwierigkeiten, half der eine dem anderen mit Rauschgift aus.
Fünfeinhalb Jahre Knast
Urteile gibt es bislang gegen sechs der zehn im Mai Festgenommenen. Die höchste dieser Strafen liegt bei fünfeinhalb Jahren Gefängnis gegen einen 40-Jährigen. Seit Dienstag muss sich vor der Jugendkammer ein 20-Jähriger verantworten, der bei den Revierkämpfen der Gruppen aktiv war.
Denn fast wie im legalen Geschäftsleben duldeten die beiden Gruppen keine Konkurrenz. Als Anfang des Jahres ein Fremder in Verdacht geriet, Kunden der beiden Gruppen abzuwerben, nahmen sie das nicht hin. Der Mitbewerber soll sich streng an die Regeln der Marktwirtschaft gehalten und Kokain zu einem günstigeren Preis angeboten haben. Die Bande kannte aber andere Mittel, um das Rauschgift weiterhin als Monopolist abzusetzen.
Auf einem Schulhof in Stoppenberg schlugen sie den Konkurrenten, der jetzt angeklagte 20-Jährige sprühte ihm auch Pfefferspray ins Gesicht, bevor sie ihm das Handy abnahmen. Die darin gespeicherten Telefonnummern teilten zwei der Gruppen unter sich auf, um diesen Kundenstamm vom bisherigen Lieferanten zu trennen.
Angeklagter ist geständig
Der 20-Jährige räumt die ihm vorgeworfenen Drogenverkäufe und auch die Strafaktion gegen den Konkurrenten ein. Erst kurz vor den Taten war er aus Spanien eingereist. Er habe sich dabei „toll gefühlt“, erläutert sein Verteidiger Matthias Meier: „Er wollte dazu gehören. Er wollte größer sein als er ist.“
Vor diesem Imponiergehabe sei auch die Äußerung des Mandanten nach dem Pfefferspray-Einsatz zu verstehen. Denn die Polizei hatte bei Gesprächen der Bandenmitglieder mitgehört und einen Satz des 20-Jährigen aufgezeichnet: „Schade, dass ich kein Messer hatte.“