Essen. Die Piratenpartei ist weiterhin auf dem Weg zu sich selbst. Am vergangenen Samstag hat sich der Essener Verband in einer Privatwohnung getroffen, um über Strukturen, Konzepte und Meinungen zu diskutieren. Gewählt wird aber nicht via Internet, sondern mit Hilfe eines Kochtopfs.

Geheime Wahlen statt Transparenz, Stimmzettel statt Online-Voting aller Mitglieder – die Vorgehensweise der Essener Piraten entspricht so gar nicht ihren postulierten Zielen. Gerade mal 20 von ihnen haben sich am Samstag zur Mitgliederversammlung in der Stoppenberger Wohnstube von Ulrich Tang getroffen. Der Sympathisant mit dem schlohweißen Haarschopf, der sein privates Reich zur Verfügung stellt, gerät fast ins Schwärmen, wenn er über die Bürgernähe, das Demokratieverständnis und die Offenheit der neuen Partei spricht.

Im Dschungel der Kommunalpolitik

Dass das bundespolitische Piratenschiff inzwischen zu kentern droht, beeindruckt weder ihn noch die anwesenden Polit-Neulinge. Das seien doch nur Fehltritte von Einzelnen, die von der Presse aufgeputscht würden, heißt es unisono. „Wir konzentrieren uns lieber auf die Aufgaben in der Stadt, wollen nachhaltige und seriöse Politik machen und politische Entscheidungsprozesse aufdecken“, gibt sich Kai Hemsteeg selbstbewusst und prangert sofort im Namen aller versammelten Piraten die überzogenen Jahresgehälter der GSE-Geschäftsführer an. Man merkt, der Essener Kriminalkommissar war zehn Jahre lang Mitglied in der CDU, bringt also einige Politikerfahrung mit.

Die ist auch dringend nötig für eine Partei, die ihren eigenen Kurs im Dschungel der kommunalen Politik finden will. „Deswegen sind wir gerade dabei, uns inhaltlich aufzustellen“, sagt Pressesprecher Tim Kowalewski. Aber erst Mal wird darüber diskutiert, wie das Wahlprozedere in der kleinen Gruppe ablaufen soll. Sollen Funktionsträger und Stellvertreter in einem Durchgang gewählt werden? Reicht eine einfache Mehrheit oder müssen die Kandidaten mindestens 50 Prozent erlangen? Muss ein Protokoll geführt, oder nur die Ergebnisse fixiert werden? Was sich am langen, mit Laptops und I-Pads bestückten Tisch abspielt, wirkt wie ein Schülerparlament, das sich in Demokratie versucht. Schließlich landen die Stimmzettel im eilends beschafften Kochtopf, der die Wahlurne ersetzt.

Mobile Bürgerbüros

Interessant wird es, als ein erstes Meinungsbild zu kommunalen Themen abgefragt wird. Ruhralleetunnel? Abgelehnt. Nachtflugverbot für den Flughafen Düsseldorf? Soll ausgedehnt werden. Zusammenlegung kommunaler Verwaltungen? Wird befürwortet. A 52-Verlängerung? Keine eindeutige Meinung der Anwesenden. Flughafenausbau Essen/Mülheim? Nicht nötig.

Wirklich konkret werden die Piraten allerdings nur bei einem Thema: So setzen sie sich für „Mobile Bürgerbüros“ ein, haben dafür bereits ein Konzept entwickelt, das auch die Finanzierung beinhaltet. Die Bürgerbusse werden bereits in anderen Städten und Bundesländern erfolgreich eingesetzt. Sie sollen die mögliche Schließung der wohnortnahen Essener Bürgerämter kompensieren.

Treffen mit örtlichen Unternehmern

Und sonst? „Wir wollen uns mit örtlichen Großunternehmen und Mittelständlern treffen, um uns ein Bild davon zu machen, wie sich die Firmen in der Stadt aufgehoben fühlen“, sagt Kai Hemsteeg. Auch wolle man Ausschüsse des Stadtrates besuchen, habe bereits mit dem Stadtkämmerer ein informatives Gespräch geführt.

Der Enthusiasmus und der Wille, die politische Landschaft als „Anti-Establishment-Partei“ aufzumischen, scheinen ungebrochen. Ob er jedoch bis zur nächsten Kommunalwahl 2014 anhält, steht in den Sternen.