Essen. Nächstes Jahr fällt das Kehrmonopol der Schornsteinfeger. Für die Männer in Schwarz bedeutet das, radikal umzudenken. Schornsteinfeger Andreas Kahlert aus Essen hat nicht nur mehr Papierkram am Hals, er muss auch hoffen, dass ihm seine Kunden treu bleiben. Der Kampf um die Kamine steht bevor.
Andreas Kahlert ist seit 47 Jahren Schornsteinfeger. Doch was der Essener in den vergangenen zwei Jahren an Papierkram erledigen musste, hat er in seinem langen Arbeitsleben nicht erlebt. Grund ist der Wegfall des Schornsteinfeger-Monopols Anfang kommenden Jahres.
Kahlert musste seinen knapp 3000 Kunden im Kehrbezirk 15 einen so genannten Feuerstättenbescheid ausstellen. „Meine Portokosten sind explodiert“, klagt der 61-Jährige. In dem Bescheid ist aufgelistet, wann Hauseigentümer welche Arbeiten beauftragen müssen. Denn ab Januar kommt der Bezirksschornsteinfeger nicht mehr automatisch ins Haus, um zu kehren oder die Heizungsmessung zu erledigen. Der Hausbesitzer muss sich selbst darum kümmern.
Hoheitliche Aufgaben bleiben
Allerdings kann er damit jeden Schornsteinfeger beauftragen. Voraussetzung: Dieser muss die notwendige Qualifizierung haben. Für die Bezirksschornsteinfeger bleiben künftig nur die hoheitlichen Aufgaben in ihrem Kehrbezirk, wie Feuerstättenschau oder Heizungsabnahme.
Die Unsicherheit unter den 32 Bezirksschornsteinfegern in Essen ist groß. Keiner weiß momentan, wie die Liberalisierung die Branche verändern wird. Denn künftig ist kein Schornsteinfeger mehr auf seinen Kehrbezirk festgelegt. Auch feste Preise gibt es nicht mehr. Was in anderen Branchen Normalität ist, müssen die Schornsteinfeger jetzt lernen. „Ich musste bislang nie kalkulieren oder für mich Werbung machen“, so Kahlert.
Bereits Kehr-Verträge abgeschlossen
Viele seiner Kollegen haben mit ihren Kunden bereits Kehr-Verträge abgeschlossen. Kahlert hat das nicht getan. Er macht sich wenig Sorgen. Ihm bleiben noch vier Jahre bis zur Rente. Und er hofft, dass seine Kunden ihm treu bleiben:„Ich glaube, ich habe ein gutes Vertrauensverhältnis zu meinen Kunden“.
Wie sich die Preise entwickeln werden? Kahlert weiß es nicht: „Eigentlich müssten sie steigen.“ Denn er müsse sich künftig neu organisieren, um flexibler auf Aufträge zu reagieren. Dass er ganze Straßenzüge auf ein Mal „durchfegen“ kann wie heute, könnte Geschichte sein. Höhere Fahrkosten und Leerlaufzeiten wären die Folge.
Angst vor der Marktöffnung
Angst vor der Marktöffnung haben besonders die Schornsteinfeger, die große Wohnungsgesellschaften in ihrem Bezirk haben. Diese könnten sich nun einen Schornsteinfeger für ihren gesamten Wohnungsbestand nehmen und dabei natürlich auch die Preise drücken.
Chance oder Risiko? Alte Hasen, wie Andreas Kahlert, würden wohl lieber an der alten Ordnung festhalten. Sein Sohn dagegen profitiert jetzt von der Marktöffnung. Er bekommt bald seinen eigenen Kehrbezirk - einige Jahre früher als es nach der alten Vergabeordnung der Fall gewesen wäre.