Essen. Die Gewerkschaft Verdi hatte am Dienstag zu einem ganztägigen Warnstreik bei der Awo aufgerufen. In den Pflegeheimen und den Kitas gab es nur Notdienste bzw. -gruppen. Zwei Awo-Mitarbeiterinnen berichten, warum sie am Streik teilgenommen haben.
Gudrun Hausmann ist seit über 20 Jahren Erzieherin. Sie liebt die Arbeit mit den Kindern. Doch auf der anderen Seite sieht sie, wie sich der Beruf verändert hat: „Wir müssen in der gleichen Zeit immer mehr leisten.“ Personalknappheit auf der einen Seite, mehr Aufgaben auf der anderen. Weil die Kinder heute tagsüber viel länger als früher in den Kitas bleiben, müsse sie immer mehr die Familie ersetzen.
Gudrun Hausmann verlangt von ihrem Arbeitgeber, der Awo Essen, vor allem Anerkennung dafür, was sie und ihre Kolleginnen leisten. Und Wertschätzung heißt für sie auch bessere Bezahlung. Zumal sie ohnehin weniger verdient, als die Erzieherinnen in den städtischen Kitas. Rund 100 Euro brutto bekommt sie im Monat weniger.
Verdi hat Warnstreik orientiert
Deshalb gehörte die 42-Jährige zu den Awo-Mitarbeitern, die in einen ganztägigen Warnstreik traten. Den hatte die Gewerkschaft Verdi organisiert, die in den laufenden Tarifverhandlungen für die Awo-Mitarbeiter in NRW 6,5 Prozent mehr Lohn erstreiten will. „Gerade wir im sozialen Bereich erheben viel zu selten die Stimme, weil wir uns ja verantwortlich fühlen. Doch ohne Streik geht es offenbar nicht“, meint Gudrun Hausmann.
In ihrer Kita Heidbusch in Schönebeck gab es gestern nur eine Notgruppe. Von den über 100 Kindern, die dort sonst betreut werden, kamen ganze 13. Die Eltern wussten frühzeitig Bescheid, konnten sich auf die Situation einstellen.
Mehr Demenzfälle
In den sechs Awo-Pflegeheimen in Essen gab es gestern einen Notdienst, so dass Pfleger und Pflegerinnen wie Konni Zetzsche zur zentralen Protest-Kundgebung nach Rheinberg fahren konnten. Dennoch spürten die Heimbewohner die Auswirkungen. Im Marie-Juchacz-Haus in Haarzopf, wo Konni Zetzsche arbeitet, fiel gestern der beliebte Bingo-Vormittag aus.
Die 52-Jährige beobachtet seit Jahren, dass die Bedingungen in ihrem Beruf „immer schlechter werden“. Die Dokumentationspflichten rauben ihr einerseits viel Zeit bei der Pflege. Auf der anderen Seite nehmen die Demenzfälle zu, der Pflegeaufwand wächst. Mit Einführung der Pflegeversicherung sei die Personaldecke weggebrochen, meint Betriebsrat Thomas Winkler. „Das strukturelle Problem in der Pflege wird auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen.“
"Qualität muss wieder ihren Preis haben"
Auch in den Pflegeberufen liegen die Awo-Tarife unter denen des öffentlichen Dienstes - bei Berufseinsteigern etwa um die 100 Euro. „Wenn wir die 6,5 Prozent nicht bekommen, werden wir noch mehr abgehängt“, warnt Winkler. Doch Awo-Kräfte wie Konni Zetzsche wissen auch, dass sie bei privaten Anbietern bis zu 30 Prozent weniger verdienen würden.
Winkler warnt jedoch die Arbeitgeber: „Qualität muss wieder ihren Preis haben. Sonst geht der Beruf den Bach runter.“