Essen. . Claudia J. wurde Opfer eines Raubüberfalls in einer Spielhalle in Essen-Borbeck. Einer der Täter hielt ihr eine Pistole entgegen. Nun muss sich die 33-Jährige zurück in den Alltag kämpfen: „Ich mache den Job weiter mit Herz“, sagt sie fest entschlossen.
Es ist Donnerstagabend, gegen 23.20 Uhr. Der letzte Gast verlässt die Spielhalle auf der Kraftstraße in Borbeck. Noch 40 Minuten, dann hat Claudia J. Dienstschluss. Es scheint eine ganz normale Spätschicht zu sein, so wie sie die 33-Jährige schon hundertfach in ihrer zehnjährigen Erfahrung als Spielhallenaufsicht erlebt hat. In dieser Spielhalle im Erdgeschoss eines Parkhauses gegenüber vom Amtsgericht arbeitet sie jedoch erst seit zwei Tagen.
23.30 Uhr. Zwei Männer betreten den Laden, den Kopf gesenkt, beide tragen Masken. Sie steuern auf Claudia J. zu, die von ihrem Stuhl aufgesprungen ist. Einer der Männer hält ihr eine Pistole entgegen. „Gib uns das Geld“, mehr sagt er nicht. Claudia J. hat in diesem Moment nur einen Gedanken, den sie in einen kurzen Satz presst: „Ich habe zwei Kinder.“ Der Mann mit der Pistole zeigt jedoch keinerlei Regung. Sie gibt ihm das Wechselgeld aus der Kasse - etwas über 700 Euro - beide Räuber eilen zur Tür. Dort dreht sich einer der Männer um und sagt zu ihr: „Wenn du die Polizei rufst, kommen wir wieder.“
Claudia J. schließt hektisch die Tür ab, ruft die Polizei. Erst jetzt wird ihr bewusst, was geschehen ist. „Das ging sekundenschnell.“ Später zeigen Videoaufnahmen, dass die Täter gerade mal 45 Sekunden in dem Laden waren. Ihre beiden Kinder (7, 12 Jahre) liegen zu dieser Zeit längst im Bett. Und sie denkt daran, was gewesen wäre, wenn sie jetzt nicht mehr für sie da sein könnte. Sie zittert.
Ja nicht versuchen, den Helden zu spielen
Später bescheinigt ihr der Polizeibeamte, dass sie alles richtig gemacht habe: Ja nicht versuchen, den Helden zu spielen. Das Geld herausgeben, den Räubern nicht hinterher rennen. Sanitäter kümmern sich um sie, fragen, ob sie psychologische Hilfe brauche. Sie schüttelt den Kopf: „Ich will jetzt nur nach Hause zu meinen Kindern und zu meinem Mann.“ Später wird sie in dieser Nacht und auch in den nächsten Nächten lange keinen Schlaf finden. Am Freitag danach macht sie frei. Doch am Samstag und Sonntag steht sie schon wieder hinter dem Tresen, wieder bis 24 Uhr. Es sei ein mulmiges Gefühl gewesen, gibt sie zu. „Doch wenn ich mich zu Hause einschließe, dann grüble ich noch mehr darüber nach.“
Claudia J. will den Vorfall wegstecken, will ihn als „Erfahrung“ verbuchen, wie sie sagt. „Mir ist natürlich bewusst geworden, wie gefährlich der Beruf sein kann. Aber in welchem Beruf gibt es kein Risiko? Ich mache ihn mit Herz, und ich werde ihn weiter machen“, sagt sie. Ihr Mann wollte, dass sie den Job aufgibt. Doch auf das Geld wolle sie nicht verzichten. „Ich will einfach wieder in den Alltag zurück.“ Es soll fest entschlossen klingen und doch kämpft sie mit den Tränen. Ihr Chef Mustafa Isiklar hat ihr erlaubt, die Tür abzuschließen, sobald es draußen dunkel wird und sie allein im Laden steht. „Dann fühle ich mich sicherer.“