Essen. Der Kandidat rechnet sich selbst keine Chancen aus: Als Basis-Grüner tritt der Essener Thomas Austermann zur Wahl um die Spitzenkandidatur der Partei bei der Bundestagswahl an. Gegen Katrin Göring-Eckardt, Renate Künast, Claudia Roth und Jürgen Trittin. Der 46-Jährige kommt mit einer Botschaft.

„Trittin“, antwortet Thomas Austermann auf die Frage nach seinem aussichtsreichsten Kontrahenten, „natürlich.“ Er wiederholt das „Natürlich“ noch zweimal, es kann keine Zweifel geben. Thomas Austermann, examinierter Altenpfleger, ledig, noch 46, tritt zu einer Wahl an, bei der er sich selbst keine Chancen ausrechnet. Austermann, Bündnisgrüner aus Essen, will Spitzenkandidat der Partei bei der Bundestagswahl werden - zumindest auf dem Papier: „Vollblutpolitiker habe ich nie werden wollen“, sagt Austermann, der Petra Kelly, Gustav Heinemann oder Willy Brandt zu seinem Vorbildern zählt: „Den Joschka Fischer mochte ich nicht so.“

Auf der Pole Position ist Austermann nur im Alphabet. Er führt die Liste der insgesamt 15 Kandidaten um den Bundesvorsitz an. Nach ihm folgt die Parteiprominenz: Katrin Göring-Eckardt, Renate Künast, Claudia Roth und, natürlich, Jürgen Trittin. Neben Austermann stehen zehn weitere Unbekannte auf der Liste. Sie dürften so chancenlos sein wie der Essener. „Ich war immer ein typischer Grünen-Wähler“, sagt Austermann über sich.

Er ist ein untypischer Kandidat

Jetzt ist er ein untypischer Kandidat. Einer mit einer Botschaft: Zwei Themen hat sich der 46-jährige ganz besonders verschrieben. Nie wieder, mahnt Austermann, dürften von deutschem Boden aus „Angriffskriege“ geführt werden.

Die Militärschläge von 1999 gegen das frühere Jugoslawien hätten für ihn die „die rote Linie überschritten“. Ihretwegen beendete Austermann nach dem Angriff seine erste, drei Jahre währende Mitgliedschaft. Seit dem 4. September dieses Jahres erst ist er zurück in der Partei und wieder Mitglied.

Gegen PID

Und Austermann ist, das ist sein zweites Hauptanliegen, gegen jede Form der Präimplantationsdiagnostik. Dem Leben fühlt sich Austermann, der sich als „aktiven Christ“ bezeichnet, verpflichtet. Dem Leben und Artikel 1 des Grundgesetzes, der die Würde des Menschen als unantastbar beschreibt. „Der Mensch“, gibt Austermann seine Devise vor, „soll keinen Gott spielen.“ Einen Button mit einer Friedenstaube trägt der Holsterhausener zum Gespräch. Den „Pax Christi“-Button hat er zu Hause gelassen, er sagt, er habe nicht zu sehr auftragen wollen.

Zwei Seiten umfasst das offizielle Bewerbungsschreiben mit Lichtbild, dass Austermann für seine Spitzenkandidatur an den Bundesvorstand der Partei geschickt hat. Zumindest einige innenpolitische Vorstellungen neben seinen beiden Schwerpunkten deutet der Kandidat darin an. Eine Beschränkung der Leiharbeit etwa, oder einen gesetzlichen Mindestlohn von zehn Euro. „Ich bin“, sagt Austermann, „an den großen Fragen interessiert.“ Mit dem kleinen, lokalen kann er hingegen wenig anfangen. Kommunalpolitik hat er nie gemacht und kann es sich auch nicht vorstellen. Immerhin signalisierte der hiesige Kreisverband der Partei Unterstützung und Zustimmung für Austermanns Bewerbung.

„Ich will nur meine Message rüberbringen“

Austermann, der derzeit wegen einer Krankheit nicht in seinem erlernten Beruf arbeiten kann, nutzt die Zeit für Werbung in eigener Sache. Am Wochenende war er zum Schaulaufen mit den anderen Kandidaten in Hannover, am nächsten Wochenende stellt der 46-jährige sich im Jahrhunderthaus in Bochum den Fragen der Basis.

Die guten Aussichten für eine Wahl Trittins schmälern Austermanns Chancen noch zusätzlich. Zwei Männer an der Spitze sind laut Statuten nicht erlaubt. Bis Ende Oktober können Mitglieder per Briefwahl ihre Stimme abgeben. Anfang November weiß Austermann, weiß auch die Partei Bescheid.

Dann sind die Stimmen ausgezählt. „Ich will nur meine Message rüberbringen“, sagt Bewerber Austermann, der sich im gleichen Atemzug aber auch „über jede Stimme“ freut. Und wenn es doch was würde mit dem Überraschungssieg? „Daran habe ich noch gar nicht gedacht“, sagt Austermann. Gläubig ist er, aber kein Utopist. Seine Bewerbung schließt Austermann mit folgenden Worten: „Mit grünen pazifistischen Grüßen für einen echten Politikwechsel.“ Ein Wunder wäre, wenn der Grüne Austermann daran teilhat.