Essen. . Ria Kortum, 31 Jahre alt, musste vor Jahren eine harte Krebstherapie über sich ergehen lassen. Dass sie heute schwanger ist, gilt als kleines Wunder. Fachleute schätzen, dass es weltweit lediglich 500 bis 1000 Kinder gibt, die nach einer solchen Therapie entstanden sind.

Auch für den Sieg über den Krebs zahlt man einen Preis. Was der Körper bei der Behandlung mitmacht, vergisst er nicht so schnell, manches nie. Ria Kortum (31) dachte lange Zeit, in ihrem Fall sei der Preis für die Heilung, dass sie keine Kinder bekommen könne. „Zwölf Jahre hat man mir das wieder und wieder gesagt“, erzählt die junge Frau mit dem kugelrunden Buch. Dass sie schon bald Mutter von Zwillingen werden soll, kann sie immer noch nicht recht glauben. „Da hat jemand den Himmel aufgemacht und ganz viel Glück runtergeschüttet.“

Ria Kortum war 16 Jahre alt, als die Ärzte bei ihr zum ersten Mal Lymphdrüsenkrebs feststellten. Die Therapie war erfolgreich, die Krankheit schien überstanden. Doch zwei Jahre später ereilte die Kölnerin ein Rückfall. „Die einzige Heilungschance war eine Knochenmarkstransplantation.“ Kortum kam ins Essener Uni-Klinikum, wo ihr Stammzellen ihres Bruders transplantiert wurden.

„Unter einem Prozent“

Diese Behandlung verlangt dem Patienten viel ab, sagt Prof. Ahmet Elmaagacli, leitender Oberarzt der Knochenmarkstransplantationsambulanz. „Sie erfordert eine hochdosierte Chemotherapie oder Bestrahlung. In der Regel führt sie zur Infertilität.“ Rund 3300 Knochenmarkstransplantationen wurden in den vergangenen 30 Jahren am Uni-Klinikum vorgenommen, vor allem bei jüngeren Patienten. „Der Anteil derer, die danach Kinder bekommen haben, liegt bei unter einem Prozent.“ Fachleute gingen davon aus, dass es weltweit lediglich 500 bis 1000 Kinder gebe, die nach einer solchen Therapie entstanden sind.

Ria Kortum weiß um ihr Glück. „Es ist wie ein Sechser im Lotto, komplett verrückt.“ Regelmäßig hatte sie sich in den vergangenen Jahren daraufhin untersuchen lassen, ob sich an der schlechten Prognose für eine natürliche Schwangerschaft vielleicht doch etwas geändert habe. Jedes Mal schüttelten die Ärzte den Kopf. Die Heilpädagogin und ihr Mann hatten sich bereits an den Gedanken gewöhnt, ein Kind zu adoptieren oder auf eine Eizellspende zurückzugreifen.

Man verwarf den Gedanken

Die Möglichkeit, ihr vor der Transplantation eigene Eizellen zu entnehmen und einzufrieren, hatte man – wie bei den meisten Patientinnen – auch im Fall Ria Kortums erwogen. Wie in den meisten Fällen verwarf man den Gedanken: zu hoch das Risiko, den Körper vor der kräftezehrenden Therapie durch eine Operation zusätzlich zu belasten. Dem großen Ziel des Überlebens wird vieles untergeordnet.

Ria Kortum erinnert sich nur vage an diese Überlegungen. So wie überhaupt viele Bilder und Gedanken der acht Wochen, die sie damals im Uni-Klinikum verbrachte, in den Hintergrund gerückt sind. „Man vergisst das Schlimme, es war eine harte Zeit. Durch die Chemotherapie wird das Immunsystem auf null gefahren, man hat keinerlei Abwehrkräfte mehr.“ Die junge Frau erinnert sich lieber an die guten Dinge, an „tolle Momente mit Ärzten und Betreuern“. Auch die Besuche ihrer Freunde, die regelmäßig aus Köln anreisten, machten ihr Mut – selbst wenn sie sich wegen der Infektionsgefahr nur durch eine Glasscheibe mit ihnen verständigen konnte.

"Die Regenbogenfahrer"

Heute steht Ria Kortum ihrerseits Betroffenen bei. Sie gehört zu den „Regenbogenfahrern“, die jedes Jahr im Rahmen einer Radtour Kliniken in Deutschland ansteuern und junge Krebspatienten besuchen. „Nach meiner zweiten Erkrankung hatte ich das Bedürfnis, dranzubleiben an dem Thema.“ Sie kam in Kontakt mit der Kinderkrebsstiftung, hörte von deren junger Radlergruppe. Im Jahr 2002 stieg sie ein – „auch, weil ich wieder fitter werden wollte“. Inzwischen ist sie über die Benefizfahrten zur passionierten Radsportlerin geworden, nimmt teil an Touren und Straßenrennen. Bei der diesjährigen Regenbogenfahrt allerdings wird sie wohl nur ein paar symbolische Meter zurücklegen – bloß behutsam sein mit so viel Glück.