Dortmund. Sie wollen den Krebs besiegen: Um “auch die letzte Tumorzelle“ abzutöten, ahmen Forscher natürliche Abläufe im menschlichen Körper nach. Dabei sollen körpereigene Botenstoffe das Immunsystem stimulieren. Gelingt das Projekt, könnte ein großer Berliner Forschungspreis winken.

„Wenn der Ansatz der Biomedizinfirma Cytuvax aus Dortmund und Maastricht gelingt, ist das ein Kandidat für einen großen medizinischen Forschungspreis.“ Mit diesen überschwänglichen Worten reagierten Teilnehmer des Bundeswettbewerbs „Science 4Life“ in Berlin auf das vorgestellte Konzept für die Immunisierung gegen Tumorzellen. Cytuvax hat einen entscheidend neuen Ansatz in der Krebsforschung entwickelt.

Prof. Dr. Frank Falkenberg wehrt sogleich ab. „Wecken Sie bloß keine falschen Erwartungen“, so die erste Reaktion des Immunologen, der im Dortmunder Biomedizinzentrum unter dem Firmennamen Cires forscht. Wo Cytuvax am Ende tatsächlich an den Start gehen werde, sei noch unklar: Dortmund oder Maastricht. Das hänge mit den Fördermitteln zusammen. Und davon hängt auch die weitere Forschung ab.

Tierversuche erfolgreich

Cytuvax fängt nicht bei Null an. Umfangreiche Tierversuche sind bereits erfolgreich abgeschlossen. Nächster Schritt sei die klinische Studie – und die koste Millionen. „Im Tierversuch waren wir extrem erfolgreich“, berichtet Falkenberg. „Das bedeutet noch nicht, dass unser Ansatz beim Menschen genauso erfolgreich funktioniert. Die Aussichten dafür stehen gut.

Bei den Mäusen ist der Forscher so vorgegangen: Er hat den Mäusen eine tödliche Dosis von 100 000 Tumorzellen injiziert. „Nach drei Wochen ist die Maus mit Sicherheit tot“, so Falkenberg. Wurde sie danach von Cytuvax geimpft, dann überleben sie länger und sind in manchen Fällen geheilt. Er forscht an einer Art Impfung, die den Körper stimuliert, gegen die Krebszellen anzugehen.

Das Immunsystem stimulieren

„Wir müssen das Immunsystem so effektiv stimulieren, dass auch die letzte Tumorzelle abgetötet wird“, so Falkenberg, „dabei empfinden wir die Abläufe in der Natur nach“.

Wenn ein Mensch mit seinem Fuß in einen rostigen Nagel trete, dann sei das ein Gefahrensignal für das Immunsystem. „Immunzellen eilen sofort zu dem Ort, wo es wehtut und Bakterien eindringen.“ Impfungen helfen gegen diese Art der Attacken von Viren und Bakterien. Dabei stehen die Immunzellen ständig untereinander in Kontakt durch Aussenden und Empfangen von molekularen SMS, so genannten Zytokinen.

Zuletzt habe die Impfung auch erfolgreich bei dem Virus funktioniert, der zum Gebärmutterhalskrebs führt.

Wunschtraum Allheilmittel

„Es ist der Wunschtraum der Mediziner, gegen jede Krankheit einen Wirkstoff zu haben“, so Falkenberg. Also auch ein Mittel gegen Krebs. Problem: „Krebs ist etwas, was aus den eigenen Zellen entsteht.“ Das heiße, der Tumor werde von Abwehrzellen gar nicht als Gefahr erkannt. „Man muss also die Abwehrzellen von außen aktivieren.“

Das will der Forscher mit Hilfe der körpereigenen Zytokine, einer Art Botenstoff, die wie bei dem rostigen Nagel die Gefahr erkennen. „Wir beeinflussen das Immunsystem, indem wir inaktivierte Tumorzellen des Patienten zusammen mit Zytokinen in Depot-Form in den kranken Körper injizieren.

Das führe zu einem Erregungszustand des Immunsystems, und die Krebszellen werden nun als fremd erkannt.

Patent auf "Tumor-Vakzinierung"

„Das ist alles“, verblüfft der pensionierte Immunologe der Ruhr-Uni Bochum. Aber: „Was wir machen, macht keiner.“ Zumindest nicht in Europa, wo Cytuvax ein Patent auf die so genannte „Tumor-Vakzinierung“ angemeldet habe. In den USA sei das Thema vor kurzem erkannt und ein ähnliches Konzept bereits zur Marktreife entwickelt worden.

93 000 Dollar koste dort ein Impf-Präparat, das ein inoperables Prostata-Karzinom bekämpft und immerhin das Leben um vier Monate verlängert. Falkenberg lässt keinen Zweifel, dass die Entwicklung zur Stimulierung des Immunsystems gegen Krebs reif ist. Ob in Dortmund oder Holland – das werde die Förderung nach dem Forschungspreis nun zeigen.