Essen. . Im Seaside Beach singen und tanzen rund 200 Leute auf der „Silent Disco“ zu Musik, die nur sie hören können. Essen erlebte seine erste Kopfhörerparty. Die Teilnehmer sind begeistert. Nicht aus Amerika sondern aus dem indischen Goa schwappte dieser neue Trend über den Ozean nach Europa.

Die Szene wirkt surreal: Eine Gruppe zuckt mit geschlossenen Augen im lautlosen Takt, stößt ab und an einige unartikulierte Laute aus, um plötzlich einen nicht näher identifizierbaren Refrain zu singen. „Cool“, schnauft Sven, und nimmt die Kopfhörer ab. „Super Ambiente“, befindet der 20-jährige Student und schaut sich anerkennend im Seaside Beach um. Extra aus Bochum ist er angereist, um bei der ersten Essener Kopfhörerparty dabei zu sein. „Silent Disco“ heißt das in Insiderkreisen. Tatsächlich ist die Geräuschbelästigung gleich Null, so dass die obligatorischen Angler am benachbarten Steg völlig entspannt auf den ersten Biss warten können.

Derweil kann Jake sich nicht mehr halten: Umringt von seinen „Groupies“ legt er eine fast perfekte Choreographie hin. „Yeah“ ruft die Gruppe und wedelt mit den Händen. Zu welchem Hit, bleibt dem Zuschauer verborgen. „Das ist so witzig, davon habe ich in Korea noch nie etwas gehört“, grinst der Student aus Seoul. Nein, die weite Reise hat er nicht auf sich genommen, um sich die Kopfhörer aufzusetzen. Mit seiner internationalen Truppe baut er derzeit in der Essener Jugendfarm einen Spielplatz. Für mehr Erklärungen bleibt keine Zeit. Der nächste Song ruft.

Trend kommt aus Indien

Nicht aus Amerika sondern aus dem indischen Goa schwappte dieser neue Trend über den Ozean nach Europa, klärt Organisatorin Sylvie Buschmann auf. „Sound in Silence“ nennt die freiberufliche Bochumer Hebamme ihr Zweitunternehmen. Unterstützt wird sie von den beiden DJs Nils und Rene, die auch im Seaside unterschiedliche Sounds auflegen und sich manchmal regelrechte Battles - Kämpfe - liefern. Denn neben der Lautstärke kann man an den Funkkopfhörern, dem wichtigsten Accessoire, auch zwischen zwei Musikkanälen wählen. „Da ist fast immer etwas dabei, was gefällt. Wenn nicht, nehme ich einfach die Kopfhörer ab und kann in Ruhe quatschen“, sagt Anna. Mit ihren Freundinnen macht sich die Essenerin einen Spaß daraus, herauszufinden, wer gerade zu welchem Song tanzt.

Entspannt beobachtet Tim von seinem Liegestuhl aus die bizarre Szenerie. Die Party im Sand füllt sich nur langsam; das mag auch an den grauen Wolken über dem See liegen. Ob der Trend Zukunft hat, mag der 30-jährige Engländer nicht beurteilen. „Aber es ist einfach mal was anderes, abgedrehteres. Man ist irgendwie in seiner eigenen kleinen Welt, wenn man die Kopfhörer aufsetzt“, sagt er. Wie lange die Session dauert, hängt von der Nachbarschaft ab. So lange sich niemand über die Lautstärke beschwert, ist das Ende offen.