Essen. . In der Luft kann Andreas Scheik gut entspannen. Fortgeschrittene Segelflieger bleiben in etwa 500 bis 600 Kilometer am Himmel, sagt er. Schon im vergangenen Jahr brachte Scheik es auf 700. Jetzt führte ihn die Tour fast bis zum Harz. Bei Flügen Richtung Süden ist die Thermik besonders gut.

Rekord für die Region: Andreas Scheik (52) segelte 813 Kilometer weit. Mit 14 hob er das erste Mal ab. Bis heute weckt das Fliegen seinen Ehrgeiz.

Als er morgens in den Flieger stieg, da ahnte Andreas Scheik schon, es könnte ein weiter Flug werden. Es war acht Uhr in der Früh, das Wetter gut, die Luft kalt am Flughafen Essen/Mülheim. Hieß für den passionierten Segelflieger: Aufwind bis zum Abend. Der 52-Jährige hob ab, landete erst zehn Stunden später wieder: Da hatte er 813 Kilometer in der Luft hinter sich. Und damit den Rekord für die Region, sagt Willi Budde, Vorsitzender des Aero-Clubs, der die Strecke scherzend „fast einen Selbstmordversuch“ nennt.

Fortgeschrittene bleiben in etwa 500 bis 600 Kilometer am Himmel, sagt er. Schon im vergangenen Jahr brachte Andreas Scheik es auf 700. Jetzt führte ihn die Tour fast bis zum Harz. Dann noch bis kurz vor Bamberg. „Dabei haben wir hier eine ungünstige Ausgangsposition“, erklärt der Pilot zu seinem Heimat-Flugplatz. Wegen des Flugverkehrs aus Düsseldorf dürfen sie beim Aufsteigen eine bestimmte Höhe nicht überschreiten: „Wir müssen uns über die Thermik hocharbeiten“, sagt der ehrgeizige Freizeit-Flieger. Die meisten Flüge führen dann in den Süden, ins Sauerland oder die Eifel, weil dort die Thermik gut sei. Dort landen, einkehren, einen Kaffee trinken, kommt nicht infrage: „Die Zeit beim Segelfliegen ist viel zu schade, um mit dem Motor rumzurattern.“ Den also für einen Start wieder anzuschmeißen. Denn nur nach diesem bleibt der Hilfsmotor etwa zehn Minuten an. Ihn während des Fluges zu nutzen, sei unsportlich. Eine Niederlage, nennt es Andreas Scheik. Abgesehen davon, ende mit dem Betätigen des Motors die Wertung für die Weite des Fluges. Und die landet im Internet in einer weltweiten Datenbank, in der sich die Piloten auch messen können.

Schon als Steppke mit dem Segelfliegen geliebäugelt

Doch es sei nicht nur die Leistung, die den Essener abheben lässt: „Es ist ebenso das landschaftliche Erleben“, sagt der 52-Jährige. Wenn er etwa über die Schweizer Berge oder die Französischen Alpen segle. Im Urlaub starte er von anderen Flughäfen. Genau eine Woche im Jahr erlaube seine Frau, sagt er lachend. Ab und zu fliegt sie mit. Als ihre beiden Söhne klein waren, sind auch sie manchmal mitgesegelt.

Die meiste Zeit in der Luft verbrachte Andreas Scheik als Schüler. Er war gerade mal 14 Jahre alt, als er das erste Mal allein abhob. Schuld war der Englischlehrer in einer Vertretungsstunde. „Er hat die ganze Zeit nur vom Segeln erzählt“, erinnert sich Scheik. Da hat es ihn gepackt, geliebäugelt hatte er schon als junger Steppke mit dem Hobby. Mit zwei Freunden ging er schließlich zum Flughafen, saß zwei Wochen später neben einem Piloten. Hatte mit 16 den Pilotenschein für Segelflugzeuge. Seit der Zeit hat ihn das Segelfliegen nicht wieder losgelassen, beschreibt er. Während des Studiums und als junger Familienvater hatte er allerdings weniger Zeit dafür: „Ich bin aber immer wieder zum Segelfliegen zurückgekommen.“

Gefährlich wurde es nur einmal wirklich, erinnert er sich: Als über dem Schwarzwald das Schleppseil riss, mit dem ein Motorflieger ihn zog. „Es war eine Schrecksekunde, dann bekam ich Aufwind“, sagt Scheik. Damals war er 17.

Mit 270 Stundenkilometern durch die Luft

Heute schaltet der Zahnarzt in der Luft ab. Obwohl das Segelfliegen gleichzeitig eine enorme Konzentration bedeutet, sagt der 52-Jährige. Beinahe halbminütlich treffe er taktische Entscheidungen, finde Aufwinde, behalte das Wetter für den Rückflug im Auge. In bis zu 2000 Metern Höhe, bei bis zu 270 km/h. Spannend wird es vor allem bei der Landung. Die Einteilung muss stimmen, um ja nicht zu früh herunter zu kommen. Oder über die Landebahn hinauszuschießen. Oben in der Luft sieht er auf seiner Instrumententafel Flugzeuge, die sich ihm nähern. Muss immer auch aus dem Cockpit gucken. Auch am Himmel gilt: rechts vor links. Und: Ballon vor Segelflugzeug. Dennoch bedeutet das Fliegen Entspannung: „Weil ich an nichts anderes denken kann.“

Mit an Bord ist immer ein wenig zu zu essen und trinken. Das Handy bleibt am Boden, es funktioniert ab einer bestimmten Höhe sowieso nicht mehr. Den Fallschirm hat der Pilot immer auf dem Rücken, wenn er in der Luft ist. Gelandet ist er auch schon im Spargel. Was keinesfalls eine Notlandung ist, sondern regelmäßig geübt werde: Bei Flaute endet ein Flug mitunter im Haferfeld. Der längste Segelflug führte einen Deutschen in Argentinien übrigens 3000 km weit. Das ist der Weltrekord, sagt Andreas Scheik, der sein nächstes Ziel fest im Blick hat: 1000 Kilometer.