Essen. . Warum das BMV-Mädchengymnasium mit einer 360-jährigen Tradition bricht. „Gegen die demografische Entwicklung können wir nichts machen, wir blicken künftig auf deutlich schwächere Jahrgänge. Darauf müssen wir uns einstellen“, sagt die Direktorin.

Das ist mal eine Bildungsgeschichte: Seit 360 Jahren mühen sich die Augustiner Chorfrauen der Congregatio Beatae Mariae Virginis (B.M.V.) in Essen um die Erziehung junger Frauen. 1652 von Anna Salome von Salm-Reifferscheidt, der Äbtissin des Reichstiftes Essen, aus Münster an die Ruhr geholt, gründeten sie die „französische Schule“, eine Art höherer Mädchenschule, die bis 1830 die einzige in Essen war. Das BMV überstand die Säkularisation (weil der Klosterbesitz zu gering war), den Kulturkampf mit Bismarck (im Exil im holländischen Steyl von 1876 bis 1889), die Nazi-Zeit (die Schule wurde Ostern 1940 geschlossen). Schule und Kloster in Holsterhausen lagen nach dem Großangriff am 11. März 1945 in Trümmern, das BMV öffnete aber bereits sieben Monate später mit 600 Mädchen in nur zwei Räumen. Ein Jahr darauf zählte die damalige Direktorin Angela Lohrmann schon wieder 800 Schülerinnen in 21 Klassen und 14 Räumen – im Schichtwechsel, vor- und nachmittags.

Nicht erst in Not handeln

Und doch blicken die Augustiner Chorfrauen nun auf eine Entwicklung, die ihre in 360 Jahren gefestigte „Kernkompetenz“ erheblich erschüttert. Es erinnert ein wenig an den wunderbaren Film „Der Club der toten Dichter“, als einer der Schüler in der voll besetzten Aula ans Telefon geht und laut zum Direktor sagt: „Es ist Gott, er sagt, sie sollen Mädchen aufnehmen.“ Diesmal allerdings geht es um Jungs, die künftig neben den 1266 Schülerinnen sitzen sollen.

„Gegen die demografische Entwicklung können wir nichts machen, wir blicken künftig auf deutlich schwächere Jahrgänge. Darauf müssen wir uns einstellen. Und das jetzt, in einer Situation, in der es uns noch gut geht. Wir dürfen nicht warten, bis wir in Not handeln müssen.“ Die Direktorin des BMV-Gymnasiums in Holsterhausen, Schwester Ulrike, verteidigt die Entscheidung, zum Schuljahr 2013/14 erstmals Jungen aufzunehmen und sich damit von der 360-jährigen Tradition zu verabschieden: „Ich weiß, dass diese Entscheidung sehr kontrovers diskutiert wird und ich sehe, dass die Reaktion in den vergangenen Tagen bis hin zu offener Empörung reichen.“ Es seien aber auch viele, die diesen Weg für den richtigen halten, „und ich hoffe, dass ihn alle mitgehen werden“.

Ministerin in B.M.V.-Schule

Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen.
Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen. Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen.
Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen. Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen.
Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen. Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen.
Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen. Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen.
Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen. Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen.
Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen. Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen.
Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen. Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen.
Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen. Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen.
Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen. Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen.
Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen. Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen.
Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen. Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen.
Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen. Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen.
Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen. Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen.
Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen. Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen.
Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen. Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen.
Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen. Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen.
Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen. Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen.
Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen. Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen.
Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen. Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen.
Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen. Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen.
Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen. Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen.
Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen. Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen.
Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool
Schulministerin Sylvia Löhrmann besucht die B.M.V.- Schule in Essen-Holsterhausen. Foto Kerstin Kokoska / WAZ FotoPool © WAZ FotoPool
1/23

Der Orden als Schulträger habe hier eine sehr klare Entscheidung treffen müssen, „und dabei sind wir auch autonom“. So wurden Kollegium, Schüler- und Elternschaft erst am Montag und in den folgenden Tagen informiert, was wohl einen Teil des Unmutes erklärt. Allerdings sei dies kein unübliches Verhalten, wie Kenner der kirchlichen Schulszene bestätigen: „Dafür trägt die Kirche ja auch das wirtschaftliche Risiko. Da kann man sich keine langen Diskussionsprozesse erlauben.“

In der Tat gestalten sich allein die arbeitsrechtlichen Verhältnisse bei den kirchlichen Schulen deutlich komplizierter als bei den öffentlichen. Während das Land einigermaßen problemlos Lehrer von Karnap nach Kettwig versetzen kann, bleibt für die Lehrer des BMV – nur das BMV. Eine Versetzung ans bischöfliche Gymnasium Stoppenberg beispielsweise ist kaum möglich. Ob also das Gymnasium in Holsterhausen mit drei oder fünf Eingangsklassen startet, ist für die Schule fast schon existenziell: „Wir dürfen nicht kleiner werden“, sagt die Schuldirektorin, „sonst bekommen wir sehr schnell sehr große Probleme.“ Mit finanziellen Folgen, die man sich verständlicherweise ersparen möchte.

Denn das Risiko liegt in diesem Fall eher beim Bistum: Vom 4,5 Millionen-Etat des BMV-Gymnasiums entfallen sechs Prozent auf den Schulträger. Das Kloster, in dem 14 Schwestern leben (von denen fünf in der Schule arbeiten), verfügt jedoch über keine nennenswerten Einnahmen. „Ich kann doch nicht untätig bleiben, um dann eines Tages um finanzielle Hilfe bitten zu müssen. Wir wissen doch, dass das Bistum auch sparen muss.“ Nachdem im Kloster in eingehender Diskussion („das war für uns ein langer Prozess“) der Entschluss getroffen war, informierte Schwester Ulrike zuerst das Generalvikariat: In den Gesprächen mit dem Generalvikar und dem Schuldezernenten sei sie „auf großen Respekt und absolutes Verständnis“ gestoßen, „das hat uns nur bekräftigt“. Das Bistum kann vor allem auf die gute Entwicklung des Mariengymnasiums in Werden verweisen, das – allerdings mit eigenen Jungen-Klassen – den Schritt vor zwei Jahren wagte: „Das deckt sich mit den Erfahrungen vieler anderer katholischer Schulen, die ich besucht habe“, sagt Schwester Ulrike.

Eigene Mädchenklassen

Und allen, die nun den Untergang des Mädchengymnasiums beklagen, kann sie immerhin einen Ausweg anbieten: „Wir werden bei unserer Größe auch weiterhin reine Mädchenklassen anbieten können. Wir werden uns im Herbst die Voranmeldungen anschauen, es muss bei den gemischten Klassen schon ein akzeptables Verhältnis herrschen.“ Die Augustiner Chorfrauen werden auch das überstehen, ist ihren Worten anzuhören. Da gab es in den 360 Jahren BMV nun wirklich Dramatischeres als ein paar Jungs.