Essen. . Ein Einblick in Essens Inkasso-„Fabrik“: Wie die GFKL am Limbecker Platz säumige Kreditkunden bei Zahlungslaune hält – und sich nicht sorgen muss um klamme Kundschaft. Die geht bei der GFKL in die Zehntausende, in Essen und weit darüber hinaus: Um die 900.000 Forderungen mit einem Gesamtvolumen von gut 21,5 Milliarden Euro stehen in den Büchern.
Was denn nun? Kriegt er die 20 Euro im Monat zusammen oder nicht? „Das ist in Ordnung, wenn sie da einmal aussetzen“, säuselt die Dame am Telefon, mit der das Gespräch vorhin so nett begonnen hat. Aber jetzt lässt sie verdammt noch mal nicht locker, denn die Sache ist ja die: „Eigentlich haben wir was anderes vereinbart, Herr Bauer *, also machen Sie uns doch mal ein Angebot...“
„Wir sind kein böser Brutalo-Inkasso-Betrieb"
Und das tut er dann auch, der Herr Bauer, obwohl er von Angeboten die Nase voll hat. Die bescherten dem Mittvierziger – er war ja nicht blöd, nur etwas blauäugig – jahrelang einen wohligen Konsumrausch, von dem heute allerdings nur noch ein übler Kater in Gestalt eines fünfstelligen Schuldenbergs übriggeblieben ist. Den versucht er nun in Kleckerbeträgen klein zu kriegen, Monat für Monat. Aber 20 Euro kriegt er diesmal nicht zusammen: „Sind zehn okay?“
Sind sie. Es gibt Inkasso-Unternehmen, die würden an dieser Stelle einen Außendienstler zu Herrn Bauer rausschicken – auf dass dieser ihm einen Finger aufs Schmerzhafteste nach hinten biegen möge. Aber „wir fahren nirgendwo hin“, sagt Stefan Brauel vom Vorstand der GFKL Financial Services AG, „wir sind kein böser Brutalo-Inkasso-Betrieb, im Gegenteil: Unsere Erfahrung zeigt: Mit einvernehmlichen Lösungen kommt man weiter, als mit der Keule.“
21,5 Milliarden Euro an Forderungen
Das wird die säumige Kundschaft freuen, denn die geht bei der GFKL in die Zehntausende, in Essen und weit darüber hinaus: Um die 900.000 Forderungen mit einem Gesamtvolumen von gut 21,5 Milliarden Euro stehen in den Büchern der GFKL-Gruppe am Limbecker Platz, eingesammelt von Banken und Versicherungen, Versandhäusern und Telefongesellschaften. Ein buntes Spektrum der Außenstände zwischen sechsstelligem Immobilienkredit und der unbezahlten 350-Euro-Rechnung fürs Fitnessstudio. Und mittendrin 1230 Mitarbeiter, die das „Forderungsmanagement“ betreiben, das Wort Inkasso gilt fast als verpönt.
Rund 400 Mitarbeiter sitzen am Standort Essen, und Karin Gibbesch ist eine von ihnen. Die gelernte Rechtsanwalts- und Notariatsfachangestellte hat 13 Jahre in der Verwaltung einer Suchtklinik gearbeitet, und man könnte sagen: Mit dieser Mischung aus juristischem Hintergrund und Einfühlungsvermögen in menschliche Ausnahmesituationen ist sie wie geschaffen für den Job der – sagt man eigentlich „Geldeintreiberin“?
Manche sterben mehrfach
Jedenfalls fühlt sich Gibbesch nicht so. „Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus“, ist ihre Erfahrung, und wenn das automatische Einwahlprogramm des Computers ihr die klammen Kunden auf die Leitung lotst, dann können hinter der roten Zahl, die da abzutragen ist, rührende Schicksale genauso stecken wie mit allen Wassern gewaschene Sorgenichte, „bei denen immer einer gestorben ist, wenn ich sie anrufe, manche sogar mehrfach“.
Sechs Jahren Forderungsmanagement haben Karin Gibbeschs Ohren geschult: „Ich hör’s raus, ob da jemand meine Rufnummer mitschreibt oder nur so tut. Und ich weiß, wenn jemand sagt, am 15. überweis’ ich’s, ob er das auch tut.“ Die meisten zahlen tatsächlich, so jedenfalls lautet die Erfahrung in der GFKL-Gruppe, die mit Erfolgsquoten von 60 bis 70 Prozent bei „jungen“, also maximal sechs Monate alten Forderungen aufwartet. Ächzt der säumige Zahler aber schon mehr als zwei Jahre unter der Kreditbürde, fällt die Quote auf allenfalls fünf Prozent.
Ankäufe als „kalkulierbares Risiko“
Mit diesen Erfahrungen kauft die GFKL-Gruppe auch Forderungs-Portfolios von Banken, Versicherungen und anderen auf, denen die mühsame Hinterhertelefoniererei Zeit und Nerven raubt. „Ein kalkulierbares Risiko“, so Vorstand Stefan Brauel, „wir kaufen relativ selten die Katze im Sack“.
Für ihn passt jede Schuld in eine Excel-Tabelle, und kein böses Wort kommt ihm über die Lippen mit Blick auf jene Zeitgenossen, die in die Konsumfalle getappt sind. Vielleicht liegt es daran, dass er die Mechanismen des Marktes nur zu gut kennt. Dass man keinen Kredit bekommt, wenn man wie er selbst früher mal „eine sehr schöne Wohnung in einem nicht so schönen Viertel“ bewohnt – „Scoring“ heißt das.
Und dass andernorts wiederum zu schnell Geld und Ware ausgereicht werden: „E-Commerce, das ist das nächste große Thema“, die Internetwirtschaft also, nachdem Flatrates die Telefon-Finanzen im Zaum halten. Brauel soll’s recht sein, säumige Zahler von heute bescheren ihm morgen zweistelliges Wachstum.
Schon ab 250 Euro wird recherchiert
Knapp über 200 Millionen Euro Jahresumsatz hat die GFKL-Gruppe im vergangenen Jahr gemacht, und wer da glaubt, da kümmerte man sich im alten Iduna-Hochhaus vorzugsweise um die Dickschiffe des Kreditmarkts, liegt falsch: Nur rund ein Viertel des Geschäfts wird als klassischer Dienstleister für Banken, Versicherungen und Unternehmen abgewickelt, der Rest läuft sozusagen auf eigene Rechnung, und da lohnen sich, wie Vorstand Stefan Brauel betont, schon individuelle Recherchen ab 250 Euro Kreditsumme.
Und wenn Karin Gibbesch und ihre Kolleg(inn)en vom Forderungsmanagement dann täglich von 8 bis 19 Uhr ihre Kunden anklingeln, lassen sie auch nicht gleich locker. Da bimmelt manchmal auch samstags das Telefon, frühestens ab zehn natürlich, damit der Weck-Frust sich nicht gleich am Hörer entlädt, und mitunter kommen sie ihren Schuldnern auch per Facebook auf die Schliche.
Mancher rächt sich
Dass es bei allem Hang zu einvernehmlichen Lösungen auch schon mal laut wird, mag bei GFKL niemand abstreiten. Und mancher gepiesackte Schuldner rächt sich auf seine Weise, hinterlässt die Rufnummer des Beraters etwa eingebettet in eine vermeintliche Kontaktanzeige („Humorvolle Sie mit weiblichen Rundungen möchte nicht mehr alleine sein...“) oder schreibt ultimative Appelle à la: „Ich, Hans-Peter .... komme für die Schulden meiner Frau A.... nicht mehr auf!!!“
Bis zu einem gewissen Grad haben die Mitarbeiter im Umgang mit den Klienten ihre Freiheiten, blasen Termine des Gerichtsvollziehers ab oder drücken mal vorübergehend ein Gläubiger-Auge zu. Doch unterm Strich steht und fällt das gute Einvernehmen mit den Schuldnern auch mit dem, was da an Barem überwiesen wird – bis hin zu Kleinstraten von fünf Euro, denn 50 Euro im Monat sind für manchen armen Schlucker viel Geld.
Ein belastender Job, manchmal, sagt Karin Gibbesch, aber einer, der ihr Spaß macht. Und mitunter können sie sogar herzhaft lachen, wie über jenen Schuldner, der allen Ernstes schrieb, er dachte, er sei seine Schulden dadurch los, dass er die Eidesstattliche Versicherung abgegeben habe: „Ich dachte, die übernimmt das dann...“