Essen.

Der Krieg katapultierte ihn einst von der Mark Brandenburg ins Essener Revier. Hier suchte und fand Bernhard Graf von Schmettow Arbeit und sein Lebensglück. Jetzt ist er 81-jährig gestorben.

Er musste nichts mehr beweisen, nicht sich und auch nicht anderen. Aber wohin dann mit all der Neugier auf das Leben, das manchmal so an einem vorüberhuscht? Wohin mit den Fragen an eine Geschichte, die man wenigstens im Nachhinein verstehen möchte, wenn es schon nicht klappt, während sie um einen herum stattfindet?

Also hat Bernhard Graf von Schmettow diese Doktorarbeit geschrieben, hat in Archiven und Briefwechseln mit Überlebenden dem jüdischen Kinderalltag in Essen hinterhergeforscht und daraus eine 618 Seiten starke Arbeit formuliert. Den Doktortitel dafür bekam er 2006 verliehen, da war „Dr. phil. von Schmettow“ ein Dreivierteljahrhundert alt.

Vom Schloss in die Zeche

Es ist eben nie zu spät dazuzulernen – das gilt für viele Stationen in Graf von Schmettows langem bewegten Leben, das dieser Tage zu Ende gegangen ist: Aufgewachsen auf Schlössern in der Mark Brandenburg führte der Krieg den verarmten jungen Adeligen eines schönen Tages ins Revier, und als er im Sammellager in Bochum-Hiltrop gefragt wurde, wo er denn hin wolle, da fiel die Wahl kurzerhand auf Essen. „Eine innere Stimme“ hatte ihm das geflüstert, sagte er später.

Diese Stimme, sie meinte es gut mit ihm, Essen wurde seine „Schicksalsstadt“. Hier fuhr er ein unter Tage in Bergeborbeck, hier leitete er die ersten wilden Jahre des Jugendzentrums an der Papestraße, hier managte er drei Revierparks, als das Grün noch nicht so üppig spross. Und wo immer ein Weg den gelernten Sozialarbeiter („Wohlfahrtspfleger“, hieß das damals) raus aus der Stadt führte, etwa zum Studium der Erziehungswissenschaften oder als Leiter des Internats Schloss Wittgenstein, führte ihn auch wieder einer zurück – auf die Margarethenhöhe.

Im Espo auch mit 80 aktiv

Und nichts, was Bernhard Graf von Schmettow dazu bewegen konnte, sich auf dem Erreichten auszuruhen. Vielleicht, weil ein erfahrener Judo- und Karatekämpfer wie er gelernt hat, in sich zu ruhen, vielleicht, weil er merkte, dass etwa im Essener Sportbund ein pädagogisch versierter Mitstreiter für die Interessen des Breitensports gute Dienste leisten kann, auch wenn er schon die 80 erreicht hat.

Die hat man ihm nicht angesehen und schon gar nicht angemerkt, weil für Leute wie Graf von Schmettow diese Dylan-entlehnte Floskel „für immer jung“ erfunden wurde: ein hellwacher Geist, der mit seinem zurückhaltenden bescheidenen Auftreten jede altersbedingte „Kenn ich, weiß ich, hab ich schon“-Attitüde vermied. Und nicht zuletzt dadurch als Vorbild für seine Schützlinge taugt, die ihm zeitlebens anvertraut waren.

Am vergangenen Mittwoch ist Bernhard Graf von Schmettow im Alter von 81 Jahren gestorben.