Essen. Gestalten, ausstellen, lehren: Christian Przybylski ist Profi für Bäume in Schalen. Pünktlich vor den Bonsai-Tagen in der Orangerie der Gruga haben wir den Bonsai-Verrückten getroffen. Er verbringt täglich einige Stunden mit seinem Bonsais, die schnell so viel kosten können wie ein Gebrauchtwagen.

Wie sich die Bonsais in seine Biografie geschlichen haben, daran erinnert sich Christian Przybylski gar nicht mehr. Es ist 15 Jahre her. „Meine Frau meint, sie hat mir damals ein Buch geschenkt“, erzählt der 43-Jährige. Der Literatur folgte schnell der erste Baum in der Schale, denn genau das bedeutet Bonsai, erklärt der Kettwiger.

„Alles was Holz macht, kann Bonsai werden“, sagt der Profi. Und: Bonsais müssen nicht winzig klein in einer Schale stecken. Laut japanischer Regel dürfen sie bis zu einem Meter hoch sein, Gartenbonsais sind größer. „Bonsai hat viele Facetten. International sind große Bäume gefragt“, sagt Przybylski. Aus dem Laien ist längst ein Liebhaber und Lehrer geworden, der fast jedes Wochenende mit den Bonsais unterwegs ist. 35 000 Kilometer legt er europaweit im Jahr zurück. Jeder Baum reist nur einmal pro Jahr: „Sonst mag er das nicht.“ Vor einer Schau landet mancher Bonsai im Kühlschrank oder Keller, um nicht zu verblühen. Vor dem Auftritt poliert der Profi den Stamm mit Olivenöl, sprüht Blattglanz in die Krone.

„Bis zum perfektionierten Baum vergehen 20 oder 30 Jahre"

Was Christian Przybylski von den Ausstellungen mitbringt sind Auszeichnungen. Erlangt ein Baum Ruhm und Ehre, verkauft er ihn, schafft Platz für Nachfolger. Bonsais kosten schnell so viel wie ein guter Gebrauchtwagen. Przybylski zeigt auf eine 300 Jahre alte Kiefer aus den Dolomiten (5000 Euro). Ein Wacholder war bester Baum in NRW: „In Deutschland wurde er Dritter seiner Größenklasse.“ Ein anderer wurde 2006 gar Klassenbester in NRW, weil die Bewegung seines geschwungenen Stammes sowie der Anteil von totem und lebendem Holz stimmen. Der Grünbereich wiederum sollte ein ungleichschenkliges Dreieck ergeben. „Bis zum perfektionierten Baum vergehen 20 oder 30 Jahre.“

Bonsaianer biegen also Draht um die Äste, spreizen sie, fräsen, sägen, um neue Wuchsformen zu erreichen, schneiden Äste zurück, damit viele Verzweigungen entstehen. „Autodidaktisch ist die Kunst schwer zu erlernen“, sagt der Profi. Er verbringt täglich einige Stunden bei seinen Bonsais, die rund um sein Haus im Schaugarten stehen. Unterricht gibt es dort allerdings nie. Zu seinen Klassen fährt er nach Waltrop, Thüringen und Wien. Lernt nun Englisch, denkt daran, Workshops in England und Italien anzubieten. Christian Przybylski hat in seine Ausbildung acht Jahre und 15 000 Euro investiert, um Bonsai-Lehrer zu werden. Gelernt hat er bei einem japanischen Meister, der samt Simultan-Dolmetscher aus Asien kam.

Bonsaianer brauchen Geduld

Wer sich nun zum Unterricht bei dem 43-Jährigen anmeldet, der dafür ein Gewerbe angemeldet hat, wartet bis zu drei Jahre. Bonsaianer brauchen ohnehin Geduld: „Es ist was für Introvertierte“, sagt Przybylski, der sich schmunzelnd Kauz nennt. Die Fimmelarbeit sei eine aktive Form der Meditation und Möglichkeit, Zeit und Denken auszuklammern. Sonst sieht der Abwassermeister sein Hobby pragmatisch. Namen bekommen seine Bonsais nicht. Auch spricht er nicht mit ihnen: „Aber ich kann mir vorstellen, dass Kollegen Bäumen ihr Leid klagen.“ Bonsais können ebenso Sorgen bereiten, wenn Schädlinge sie befallen oder sie an Altersschwäche sterben. Einen tollen Baum zu verlieren, ist schmerzlich: „Man geht ja eine Symbiose ein und schafft etwas Schönes.“

Neue Bonsais findet der Kettwiger auf Streifzügen durch die Wälder Schwedens, Sloweniens oder Italiens. Er sei ein Spontan-Sammler, der nie ohne Gestaltungs-Idee auspottet. Und nie ohne Genehmigung. Der 43-Jährige präsentiert ein windschiefes Exemplar, das seine Form am Lawinenhang erhalten hat. Andere verdanken sie Elchen, die sich auf die Bäume fallen lassen. In Kettwig landen Bonsai-Neulinge im Nebelhaus aus Folie: bei 30 Grad Celsius und 90 Prozent Luftfeuchtigkeit. So akklimatisieren sich die Bonsais erst, warten dann noch fünf Jahre auf den Beginn ihrer Gestaltung im Garten, wo sie am liebsten leben.

Das Haus des 43-Jährigen ist bis auf zwei Bilder bonsaifrei. Im Urlaub kann er inzwischen loslassen und nur am Strand neben seiner Frau liegen. Die begeistert sich zwar nicht für Bonsais, unterstütze ihn aber, sagt Christian Przybylski dankbar: „Denn ich kann nicht anders, es hat mich so befallen.“

Termine und Kontakt

Die Bonsaitage NRW finden in der Gruga (Orangerie) statt: 12. und 13. Mai, 10 bis 13 Uhr.
Programm: Sa, 14 Uhr sowie So, 10.30 und 14 Uhr Gestaltungsvorführung. Info: 88 83 106. Infos zu Bonsais: www. bonsaikultur.de oder beim Landesverband: www.bonsai-nrw.de oder Bonsai-Club Deutschland: www.bonsai.org