Essen.

André ist jetzt im Irak – für die gute Sache. Vorher war das Einsatzgebiet des 23-Jährigen der Baldeneysee und die Ruhr in Kettwig, nun ist es der Dukan-See in der Provinz Sulaimaniyya der autonomen Region Kurdistan. Mit dem VW-Bulli ist er Ende März von Essen nach Dokan gereist. Sein treuer Begleiter bei diesem Abenteuer ist Andreas Brinck aus Werden gewesen. Auch eine mühsame Zwangspause am türkischen Zoll haben beide verkraftet, bis André sein Ziel erreichte und endlich in seinen neuen Gefilden zu Wasser gehen konnte.

Wie sich das anfühlte, kann er leider nicht schildern, denn „André“ ist ein Ruderboot. Der Zweier der Kettwiger Rudergesellschaft, 1989 in einer ostdeutschen Rennbootwerft gebaut, soll die Freude an seinem Sport künftig bei Jung und Alt entfalten. Samt Equipment, drei anderen Booten und einem vom Ruderverein am Baldeneysee (RaB) überlassenen Transportanhänger haben die Mitglieder eines internationalen Ruderer-Netzwerkes ihn zum provisorischen Bootshaus am Ufer des Dukan-Sees gebracht.

Den Stausee fürs Rudern entdeckt

„Das Boot wurde wegen seines Namens schon früher im Verein aufs Korn genommen“, erzählt Andreas Brinck lachend. Künftig gehört es dann zu den Beständen des „Lake Dukan Rowing Club“. Die Idee, alte, jedoch gepflegte Boote in den Irak zu bringen, geht auf das Jahr 2009 zurück , so Andreas Brinck, ehemaliger Ruderer beim RaB und Trainer beim EWRC und bei der Essener Ruder-Bundesliga-Crew Ruhrachter. „Mein Studienfreund Matt Trevithick war zu der Zeit Dozent an der Amerikanischen Universität in Sulaimaniyya“, erzählt der 31-Jährige. Und: „Damals hat er den Stausee fürs Rudern entdeckt.“

Zwischenzeitlich berichtete auch die englische BBC über die widrigen Trainingsbedingungen des irakischen Ruder-Nationalteams in Bagdad, Scharfschützenfeuer inklusive. Und so sei die Idee entstanden, ein Ausweich-Revier zu schaffen. Bei der Weltmeisterschaft 2011 in Slowenien, so Brinck, beschlossen dann Ruder-Profis aus aller Welt die Verwirklichung des Projekts. In die Jahre gekommene Boote und Equipment wurden zwischengelagert, mit dem Ziel, sie in naher Zukunft in den Irak zu transportieren.

Keine Probleme am Zoll

„Eigentlich sollte das im Herbst oder Winter 2011 geschehen“, sagt Brinck. Doch erst in der vorletzten März-Woche ging’s mit den von Essenern gestifteten Sport-Utensilien nach Klagenfurt, dort wurde das Auto gewechselt und zwei weitere Fahrgäste eingesammelt, ehe man in Bled (Slowenien) weitere Boote auflud. „Entgegen unseren Befürchtungen gab’s keine Probleme am Zoll. Wir passierten Ungarn, Rumänien und Bulgarien ohne Zwischenfälle“, erzählt Brinck. Erst ein vierstündiger Aufenthalt wegen des türkischen Zolls habe sie aus dem Rhythmus gebracht. „Lauter Papierkram musste erledigt, eine Kaution hinterlegt werden“, so der 31-Jährige.

Über Istanbul, Ankara und Adana fuhr das Duo weiter gen Nordirak, immer entlang an der syrischen Grenze. „Von den dortigen Aufständen haben wir aber nichts mitbekommen. Die Grenzer nahe der irakischen Stadt Zakho im kurdischen Norden staunten wohl nicht schlecht, als die Vier aus dem Westen ihr Ladegut präsentierten: „Sie zückten ihre Handys und machten Fotos. Für sie war es etwas Besonderes, dass Fremde wieder solche Sachen ins Land bringen, um zu helfen“, schildert der Werdener seine Eindrücke.

56 Stunden Fahrt

Nicht minder interessiert waren auch die Einheimischen, als die Boote nach 56 Stunden Fahrt ihr Ziel erreichten. „Wir haben ein Ründchen auf dem See gedreht und eine kleine Menschenmenge schaute sich das an. So recht beschreiben, wie das war, kann ich gar nicht“, meint Andreas Brinck. Die Strapazen haben sich für den 31-Jährigen gelohnt. Vergessen ist die Hinfahrt, wo sie ab Slowenien fast durchfahren mussten ohne Pausen, weil ihnen die Zeit weglief: „Das darf man eigentlich gar nicht erzählen“, sagt er lachend.

In diesen Apriltagen sitzt der Personalberater Brinck wieder ausgeruht in seinem Büro in der Essener Innenstadt. Für ihn und seine Mitstreiter dürfte es nicht die letzte Fahrt gewesen sein: „Das war ein Prototyp für zukünftige Projekte. Denn für deutsche Vereine ist das auch eine Win-win-Situation. Wir nehmen ihnen die schwierige Aufgabe der Bootsentsorgung ab.“

Info:

Bisher ist der „Lake Dukan Rowing Club“ noch ein internationaler Förderverein, der besonders von Absolventen der Boston University (USA) getragen wird. Die Ruderer verbinden mit ihrem Engagement die Hoffnung, über die Werte ihres Sports positive Akzente für die irakische Zivilgesellschaft zu setzen und auch einen Ausgleich zu den Alltagssorgen zu bieten. Englischsprachige Infos im Internet unter www.lakedukanrc.org .