Essen. Das ehrgeizige Kita-Ausbau-Programm der Stadt Essen könnte unter Druck geraten, weil es an nötigen Fachkräften fehlt. 400 neue Jobs sollen geschaffen werden, dabei bleiben Erzieherinnen-Stellen schon heute oft monatelang unbesetzt.
Der geplante massive Ausbau der Kinderbetreuung könnte wegen fehlenden Fachpersonals ins Trudeln geraten. Schon jetzt bleiben Erzieherinnenstellen in den gut 240 Kindertageseinrichtungen in Essen teils monatelang unbesetzt, schon jetzt werden Kitagruppen zeitweilig geschlossen, wenn sich keine Krankheitsvertretungen finden.
Die Stadt hatte Ende 2011 angekündigt, die Betreuung von Kleinkindern bis 2015/16 so auszubauen, dass 35 Prozent aller Jungen und Mädchen unter drei Jahren einen Platz in einer Kita oder bei einer Tagesmutter erhalten. Schon bis zum kommenden Jahr soll sichergestellt werden, dass jedes Kind ab drei Jahren einen Kita-Platz bekommt. Dazu wollen die Stadt und die freien Träger 200 neue Kita-Gruppen bilden und bis zu 400 Fachkräfte einstellen.
Letzteres könnte schwierig werden: „Noch haben wir Bewerberinnen, aber die Luft wird dünn“, sagt Mathias Bänfer, Abteilungsleiter für pädagogische Einrichtungen beim Jugendamt. Früher habe er sich bei Stellenbesetzungen eine der zehn besten Kandidatinnen ausgesucht, heute gebe es oft eh nur zwei Bewerberinnen, „bei denen ich genau hinschauen muss, ob sie die Anforderungen erfüllen“. Vorbei sei auch die Zeit, da sich Erzieherinnen aus Mülheim oder Velbert nach Essen bewarben. „Heute müssten wir in den Nachbarstädten plakatieren.“
Personaldecke ist dünn
Denn schon jetzt gebe es unbesetzte Stellen in den 45 städtischen Kitas: Gerade habe ihm die Arbeitsagentur 20 potenzielle Kräfte für eine Stelle genannt, die schon vor vier Wochen hätte besetzt werden sollen. „Nur wenn wir die Erzieherinnen anrufen, sind die meist längst versorgt.“
So dünn sei die Personaldecke, dass in Krankheitsfällen immer häufiger Zettel wie diese an Kita-Türen gepinnt werden: „Wir bitten alle nicht-berufstätigen Eltern, ihre Kinder zu Hause zu lassen.“ Wenn dann weitere Kolleginnen ausfielen, müsse schon mal eine Gruppe vorübergehend dicht gemacht werden: „In den letzten drei Monaten hatte ich keine solche Meldung, aber sie kann jeden Tag kommen.“
Erzieherinnen haben die Auswahl
Auch beim größten Kita-Träger, dem katholischen Kita-Zweckverband, beobachtet man die Entwicklung mit Sorge. Noch könne man die meisten Stellen in den stadtweit 68 Kitas besetzen, doch derzeit sind etwa zwei Leitungsposten vakant. „Ein Springer-System für Krankheitsfälle haben wir erst gar nicht eingerichtet, weil wir dafür keine Erzieherin fanden“, sagt Zweckverbands-Sprecherin Kristina Kähler.
„Springerjobs, Krankheits- oder Schwangerenvertretungen sind eben nicht so attraktiv wie feste Stellen in einer Kita. Die Erzieherinnen haben die Auswahl“, bestätigt Jugendhilfeplanerin Anne Müting. Und Annette Müller, die den Fachbereich Kita beim Kinderschutzbund leitet, berichtet, dass sie dieser Tage endlich eine Stelle in Katernberg besetzt habe, die vier Monate offen war. „Selbst Zeitarbeitsfirmen winkten ab.“ In einer weiteren Einrichtung, sei seit einem Monat eine Stelle offen. „Vor zwei Jahren hätte ich jemanden ohne Berufserfahrung in Kitas nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen, heute sehe ich mir junge Mädchen an, die bislang nur Schulkinder betreut haben.“ Ihnen biete sie neben dem Job, Fortbildungen und Zusatzqualifikationen. „Früher habe ich Bewerberinnen noch gefragt: Was bieten Sie uns? Heute ist das umgekehrt.“
Kinderfest der Kitas
Auch Mathias Bänfer macht sich Gedanken, über Personal- und Nachwuchsgewinnung. So will er verstärkt das Angebot machen, ein Freiwilliges Soziales Jahr in einer Kita zu absolvieren: „Vielleicht können wir so junge Leute für diesen Beruf gewinnen.“ Mit der Arbeitsagentur und Bildungsträgern stehe er ohnehin in engem Kontakt, außerdem gebe es nun eine „Renaissance der Kinderpflegerinnen“. Die hatte der Gesetzgeber vor wenigen Jahren verpflichtet, sich zur Erzieherin fortzubilden. Andernfalls dürften sie in Kitas keine Kinder unter drei mehr betreuen. So strikt werde sich das wohl auf Dauer nicht halten lassen, glaubt Bänfer. „Zumal wir den echten Notstand erst in zwei, drei Jahren erleben, wenn die beschlossenen Ausbaumaßnahmen umgesetzt werden sollen.“