Essen. Christian Eggers war 25 Jahre lang Direktor der LVR-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters. Jetzt hat er ein Buch über Schizophrenie geschrieben, das als „Krönung seines Lebenswerkes“ gilt.
In einem Interview hat er mal gesagt, das Buch sei „quasi ein Abschluss meiner Forschungsarbeit zur Frühschizophrenie“. Das ist einigermaßen untertrieben und passt ganz gut zu seinem bescheidenen Auftreten. Christian Eggers war 25 Jahre lang Direktor der LVR-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters. Im Jahr 2004 trat Johannes Hebebrand die Nachfolge von Eggers an.
In Wirklichkeit hat der 73-Jährige kürzlich etwas vorgelegt, das man mit Fug und Recht als sein Vermächtnis bezeichnen könnte: Erschienen ist das Standardwerk „Schizophrenie des Kindes- und Jugendalters“, über 500 Seiten stark. Die Fachzeitschrift „Neuropädiatrie“ hat Recht, wenn sie schreibt: „Mit der vorliegenden, umfassenden Darstellung dieser Problematik ist Eggers die Krönung seines Lebenswerkes gelungen.“
Erkenntnisgewinne auch für Laien
Es handelt sich ganz sicher um Fachliteratur, die sich vor allem an junge Ärzte richtet, doch das Buch birgt auch für interessierte Laien erhebliche Erkenntnisgewinne. Eggers beschreibt nicht nur Symptome und Phänomene, dokumentiert Therapien, sondern lässt auch Patienten, die er teilweise über Jahrzehnte begleitet hat, zu Wort kommen.
Es ist vor allem der individuelle Verlauf jeder Erkrankung, der Eggers gemahnen lässt, jede Fallbetrachtung so tiefgehend wie möglich vorzunehmen. Die Symptomatik schizophrener Psychosen, schreibt Eggers, „so unverständlich und uneinfühlbar sie uns auch erscheinen mag - ist letztlich Ausdruck des Zusammenbruchs des Realitätsbezugs des betroffenen Individuums.“
Zusammenbruch des Realitätsbezugs – was das konkret bedeutet, beschreiben Patienten in Eggers Buch. So zitiert er ein zwölfjähriges Mädchen: “Ich merk’ das, dann kommt irgendwas über mich, ich merk’ das, das ist eiskalt und dann denke ich nur, jetzt musst du in Sicherheit sein, dass du keine Gehirnerschütterung kriegst.“
"Wir alle tragen verrückte Anteile in uns"
Schizophrenie bedeutet im Wortsinn „gespaltener Geist“. Doch jene, die daran erkranken, sind nicht blöd. Oder unzurechnungsfähig. Hölderlin, sagt Eggers immer wieder, war auch an einer Schizophrenie erkrankt. „Es kann jeden treffen“, betont Eggers. Fast schlimmer als die Krankheit ist der Umgang der Gesellschaft damit. „Die Stigmatisierung ist das größte Problem.“ Wir alle, ist Eggers sicher, würden „verrückte Anteile in uns“ tragen. Wir schämen uns dafür und können sie nicht aushalten, entsprechend hart sind wir im Urteil über jene, die sie nicht verstecken können.
Eggers hat angekündigt, dass er sein Buch im Falle einer Neu-Auflage auf jeden Fall aktualisieren werde, „solange meine Kräfte reichen“. Längst hat er in Essen Spuren hinterlassen.
Die nach ihm benannte Stiftung unterhält ein Haus in Holsterhausen, in dem junge Erkrankte in einer WG leben. Die VHS bietet Kurse an, in denen psychisch kranke Jugendliche ihre Schulabschlüsse nachholen können. Noch immer betreut Eggers junge Patienten, neulich trat einer von ihnen in einer Kettwiger Schule auf, berichtete plastisch von seinen Psychosen und warnte vor Drogen. Denn Haschisch kann ein Auslöser für Schizophrenien sein. Der Auftritt des jungen Mannes soll bald in anderen Klassen wiederholt werden.
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