Essen. Bau- und Umweltdezernentin Simone Raskob hat sich den Fragen des WAZ-Leserbeirates gestellt. Das Gremium hatte zwei Jahre lang die Arbeit der Essener Lokalredaktion kritisch begleitet, zum Ende der Amtszeit brachte die WAZ die kundigen Leser und die undogmatische Dezernentin zusammen.

Mit gewohnter Leidenschaft und Sachkenntnis hat unser Leserbeirat bei seiner letzten Sitzung diskutiert. Zwei Jahre lang hat uns das Gremium aus zehn Lesern begleitet, bei regelmäßigen Treffen die Arbeit der Lokalredaktion kommentiert, kritisiert und Themenvorschläge gemacht. Zum Abschluss brachten wir dieser Tage den Leserbeirat mit Umwelt- und Baudezernentin Simone Raskob ins Gespräch.

Dabei präsentierte sich die 50-jährige Dezernentin, die aus Hagen stammt und schon in München, Pforzheim, Göttingen, Berlin, in Frankreich und in Dänemark gelebt hat, als überzeugte Rüttenscheiderin, die von sich selbst sagt, „dass ich in Essen angekommen bin“. Die der Stadt, in der sie seit 2005 arbeitet, eine hohe Lebensqualität bescheinigt und die nebenbei auch auf eigene Verdienste verweist. Etwa wenn sie die Entwicklung des Radwegenetzes lobt und einen „Fahrrad-Highway“ nach Duisburg und Dortmund ankündigt. Die passionierte Radfahrerin Annegret Böckenholt aus Altenessen stimmt der Dezernentin zu: „Man kann sich heute viel besser mit dem Rad durch Essen bewegen.“ Wobei Hans-Ulrich Philipsenburg einen Einwand hat: Die „Wege zum Wasser“ seien unterschiedlich gut beschildert, da möge sich Raskob einmal kümmern.

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Einen konkreten Hinweis an die Dezernentin haben auch Renate Gayk-Sang und Mirjam Scholz, die beide in Holsterhausen leben: Das verwaiste Berufskolleg entwickle sich zum Schandfleck, da müsse endlich etwas etwas geschehen. Simone Raskob erklärt zunächst, dass sie den Umzug des Kollegs in den Bildungspark im Norden der City weiter für eine kluge Entscheidung halte: „Die Sanierung des Standortes Holsterhausen hätte 33 Millionen Euro gekostet, so mussten wir nur 18 Millionen Euro in die Hand nehmen und haben noch eine Turnhalle dazu bekommen.“

Nicht nur hochpreisig

Weil nun der Abriss der belasteten Bauruine in Holsterhausen so teuer komme, müsse man den Standort für einen Investor attraktiv machen – und das gehe nicht allein mit Wohnungsbau und Grün. „Darum hat die Politik dreieinhalb Jahre darüber diskutiert, wie hoch bei einer Neuansiedlung der Anteil von Wohnen, Einzelhandel und Grünflächen sein dürfe.“ Sie sei aber zuversichtlich, dass es bald einen Bebauungsplan geben werde; der allerdings falle in die Zuständigkeit von Planungsdezernent Hans-Jürgen Best.

Auch für die Neuansiedlung am alten Hertie-Standort an der Rüttenscheider Straße ist Raskob nicht zuständig. Trotzdem geht sie auf die Kritik von Leserbeirats-Mitglied Martin Lehnert ein, dort werde mit Aldi und Deichmann die falsche Klientel angesprochen; Rüttenscheid müsse sich abheben. Das sieht die Dezernentin anders: „In Rüttenscheid leben nicht nur gut Verdienende. Wir müssen aufpassen, nicht der Prenzlauer Berg von Essen zu werden.“ Ein Hinweis auf den Berliner In-Stadtteil, der mal Alternativ- und Künstler-Kiez war und längst nur noch für Wohlhabende erschwinglich ist.

Grundsätzlich dürfe die Stadt die Menschen mit mittlerem Budget nicht vergessen, meint Raskob. „Es ist nicht gottgegeben, dass Essen Einwohner verliert. Aber wenn wir einige der vielen Tausend Einpendler bewegen wollen, sich hier niederzulassen, dürfen wir nicht nur hochpreisige Wohnungen bauen.“

Grüne Mitte, Gruga, Baldeneysee – Simone Raskob präsentiert sich an diesem Abend als undogmatische Denkerin. Als eine, die den Grünen nahesteht, aber nicht jeden Baum für unantastbar hält. Als eine, die schon so sehr Essenerin ist, dass sie die Grugahalle nie abreißen würde, obwohl die technisch nicht mehr auf dem neuesten Stand und im Unterhalt teuer ist: „Die Grugahalle ist nicht bloß ein Gebäude, sie ist ein Baudenkmal und für viele Essener ein Stück ihrer Identität.“ Und da sind sich Dezernentin, Leserbeirat und Redaktion vollkommen einig.