Essen. . Stalking, Beleidigungen, Drohungen: Vollziehungsbeamte der Stadt Essen werden immer häufiger angegriffen. 15 Fälle zählte die Behörde im vergangenen Jahr, so viele wie nie zuvor. Nun ist ein Präventionsprojekt mit der Polizei in Planung, um die Beamten auf Konfliktsituationen besser vorzubereiten.

Vollziehungsbeamte der Stadt Essen werden immer häufiger Opfer von Gewalt. 15 Übergriffe hat Gruppenleiter Holger Menke im vergangenen Jahr gezählt, so viele wie nie zuvor. „In einem Fall wurde ein Kollege von dem Schuldner in ein Zimmer gesperrt. Er sollte dann schriftlich bestätigen, dass die Schuld beglichen wurde, um wieder herauszukommen“, erzählt Menke von einem besonders gravierenden Fall. Ein anderer Vollziehungsbeamter wurde beinahe überfahren, als er ein Auto pfänden wollte. Auch Fälle von Stalking sind keine Seltenheit. „Manchmal werden die Kollegen mitten in der Nacht auf ihrem Diensthandy angerufen und beschimpft“, sagt Menke. Auch deswegen tauscht das Team regelmäßig die Bezirke untereinander aus.

Gruppenleiter Holger Menke (links) und Abteilungsleiter Klaus Ecker. Foto: Ulrich von Born
Gruppenleiter Holger Menke (links) und Abteilungsleiter Klaus Ecker. Foto: Ulrich von Born © WAZ FotoPool

Beleidigungen werden indes meist gar nicht mehr zur Anzeige gebracht. „Wir erleben täglich Verbalattacken der untersten Schublade. Wenn wir da jeden Fall anzeigen würden, hätten wir bald nichts anderes mehr zu tun“, sagt Klaus Ecker mit bitterer Ironie. Ecker ist Leiter der Abteilung Vollstreckung und verantwortlich für die 20 Vollziehungsbeamten im Außendienst. Sie haben 2011 neun Millionen Euro Außenstände der Stadt Essen eingetrieben - Rekordergebnis. 31 Millionen Euro schulden die Bürger der Stadt insgesamt.

„Die Intensität der Gewaltfälle ist erschreckend“

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Oft rücken die Beamten wegen nicht bezahlter „Knöllchen“ aus, doch auch die rund 300 weiteren Einnahmequellen der Stadt bescheren der Behörde genug Arbeit. Rund 73.000 Fälle landen jährlich auf den Schreibtischen der Abteilung: von nicht gezahlten GEZ- oder Müllgebühren über ausstehende Kita-Beiträge bis hin zur säumigen Zahlung des VHS-Kurses.

Dabei will Holger Menke nicht alle Bürger in ein schlechtes Licht rücken. „Meistens zahlen die Schuldner und es läuft reibungslos. Aber die Intensität der Gewaltfälle ist erschreckend, hier sehe ich Handlungsbedarf.“ Deswegen laufen bereits Gespräche mit der Polizei. In einem Kurs sollen die Vollziehungsbeamten für Konfliktsituationen sensibilisiert und in Kommunikationsstrategien geschult werden. Denn in der Regel haben die meisten Beamten eine klassische Verwaltungsausbildung hinter sich - den Umgang mit gewaltbereiten Schuldnern lernt man darin nicht. „Natürlich achten wir bei der Auswahl der Bewerber darauf, dass sie einen gefestigten Charakter haben“, sagt Menke und ergänzt: „Wir wissen doch, dass die meisten Menschen unverschuldet in Not geraten sind. Mit uns lässt sich aber reden, etwa wenn es um Ratenzahlung geht.“ Respekt darf da eigentlich nicht zu viel verlangt sein.