Essen. . Die Realschule Essen-West bietet Schülern erstmals einen Babysitter-Kurs an. Bei dem Training lernen auch Jungs, wie man richtig wickelt und füttert.

Nach der Realschule möchte Pia Freimann (17) Erzieherin werden. So kam ihr das Angebot für einen „Babysitterkurs“ an der Realschule Essen-West gerade recht. So recht, dass sie gar an einem Samstag die Schulbank drückte. Und mit ihr 17 weitere Schüler aus den Klassen 8 bis 10. Dabei dominierten die Mädchen eindeutig – einzig zwei Jungen hatten sich für den Kurs angemeldet.

„Bei dem Kurs kann man Sicherheit im Umgang mit Kleinkindern gewinnen. Man weiß, was zu tun ist. Aber erste Voraussetzung ist, denke ich, offen zu sein“, sagt Patricia Hummel (14).

Doch so planungsfreudig die Mädchen - neben Pia Freimann wollen zehn den Beruf der Erzieherin lernen - auch sind – die beiden Jungs im Kurs sehen das Angebot nicht als Grundstein für eine weitere Ausbildung. Kilian Schikowsky (16) und Malte Fischenich (14) lernen das Babysitten, um zu babysitten. Da können Sicherheit und Wissen nicht schaden.

„Die Jungs aus meiner Klasse haben sich das nicht getraut“

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Das klingt pragmatisch – und doch werden sie von den Mädchen bewundert. „Ich finde es sehr mutig von den Jungs, in diese Mädchengruppe zu kommen und etwas zu machen, das vielleicht eher ,typisch’ für Mädchen ist. Die Jungs aus meiner Klasse haben sich das nicht getraut“, erzählt Alina Grewe (15).

Der Schulleiter, Thomas Jung, hatte sich dafür eingesetzt, in der unterrichtsfreien Zeit der Schüler einen Kurs für angehende Babysitter an die Schule zu holen. „Es ist das erste Mal, dass so etwas an einer Schule angeboten wird, und alle sind davon begeistert. Ich möchte diesen Kurs ab jetzt gerne regelmäßig bei uns veranstalten“, so Jung.

Kursleiterin Nina Wilker-Jedamzyk, Leiterin des Spatzen-Nest Essen und Kursleiterin der Katholischen Bildungsstätte, vermittelt den Jugendlichen, was zur Betreuung eines Kindes gehört. Vermittelt wird Fachwissen über die Betreuung von Kindern aller Altersklassen, so dass die Säuglingspflege und Erste Hilfe bei Kleinkindern ebenso Thema sind wie Spiel- und Beschäftigungsangebote für Grundschüler. Auf dem Lehrplan stehen unter anderem das Wickeln - geübt wird nicht am lebenden Objekt, sondern an Puppen - und es gibt Tipps für brenzlige Situationen: Was tut man, wenn ein Kleinkind sich verschluckt?

„Alle Familienzentren in NRW müssen eine Babysitter-Kartei führen“

Am letzten von drei Kurstagen, bekamen die Teilnehmer den Lohn für ihren Fleiß: Ein „Babysitter-Diplom“, das den Jugendlichen bescheinigt, sich mit der verantwortungsvollen Aufgabe der Kinderbetreuung auseinandergesetzt und geübt zu haben. Mit diesem Diplom können die Schüler sich zudem durch das Familienzentrum Holsterhausen oder den Sozialdienst katholischer Frauen als Babysitter vermitteln lassen.

Was die meisten suchenden Eltern vermutlich nicht wissen: „Alle Familienzentren in NRW müssen eine Babysitter-Kartei führen“, erklärt Wilker-Jedamzyk. Sie meint, einen solchen Kurs sollte eigentlich jeder Jugendliche besuchen, da das Zertifikat auch bei einer Ausbildungsbewerbung oder einem Auslandsaufenthalt z.B. als Au-Pair von großem Nutzen sein könne.

Das Fazit nach drei Kurstagen: Die Schüler sind begeistert, haben viele hilfreiche Erfahrungen gesammelt. Besonders die Übungspuppen haben es den Mädchen angetan, so sehr, dass sie sie gar nicht mehr aus der Hand legen wollen. Kilian wiegt derweil eine Puppe im Arm und freut sich schon auf die Arbeit mit „richtigen“ Kindern. Bei den Mädchen des Kurses heißt er schon jetzt augenzwinkernd der „Papa aller Kinder“.