Essen. . Die Bereitschaft zur Organspende ist auch in Essen zurückgegangen. Konnten im Jahr 2010 im Uniklinikum noch 158 Lebern transplantiert werden, standen im vergangenen Jahr gerade einmal 143 Spenderorgane zur Verfügung. Jetzt geht in Essen ein Gesellschaftsbündnis für Organspende an den Start.

Die Deutsche Stiftung Organtransplantation verzeichnte im vergangenen Jahr einen Rückgang der Bereitschaft zur Organspende. Die Zahl der Menschen, die nach ihrem Tode Organe spendeten, sank um 7,4 Prozent.

Eine Entwicklung, die an Essen nicht spurlos vorübergegangen ist. So sind im Uniklinikum die Wartelisten länger geworden. Konnten im Jahr 2010 noch 158 Lebern transplantiert werden, standen im vergangenen Jahr gerade einmal 143 Spenderorgane zur Verfügung – dabei ist das Essener Krankenhaus in diesem Bereich bundesweit führend.

Mal Hand aufs Herz: Wie oft haben Sie schon den Gedanken gehabt, dass Organspende ja „an und für sich richtig“ ist, aber dann doch nie den Schritt ins nächste Bürgeramt wagten, um sich einen entsprechenden Ausweis zu besorgen?

Ins Gespräch kommen

Dieser Gedanke dürfte vielen bekannt vorkommen. 75 Prozent der Deutschen halten Organspende zwar für sinnvoll. Doch nur 18 Prozent besitzen einen der 8,5 mal 5,5 Zentimeter großen Organspenderausweise. Eine Quote, die auch für Essen „nicht viel besser ausschaut“, befürchtet Gesundheitsdezernent Peter Renzel. Genaue Zahlen gibt es nicht. Die sind für Renzel aber auch nicht weiter wichtig. „Entscheidend ist, dass wir mit den Menschen ins Gespräch kommen und Bedenken abbauen“, sagt Renzel.

Schließlich warten alleine im Essener Universitätsklinikum knapp 1000 Menschen auf ein neues Organ, teilweise nur wenige Tage, teilweise aber auch mehrere Jahre – und manchmal kann ein passendes Spenderorgan nicht mehr rechtzeitig gefunden werden. „Nur rund ein Drittel aller Patienten konnten wir dieses Jahr bislang versorgen, einige leider gar nicht mehr“, stellt der Ärztliche Direktor im Klinikum, Eckhard Nagel, betrübt fest. Deutschlandweit warten über 12.000 Betroffene auf eine neue Leber, Niere, Bauchspeicheldrüse oder ein Herz.

Das Thema ist ein aktuelles und auf der politischen Agenda. In diesem Jahr, so das Ziel, soll sich die Situation durch ein Gesetz zur Organspende bundesweit, aber auch vor Ort verbessern.

Voraussichtlich könnten die gesetzlichen Krankenkassen dazu verpflichtet werden, ihre Patienten regelmäßig über die Möglichkeit der Organspende zu informieren. „Allemal besser als der jetzige Status“, lobt Renzel die Bestrebungen mit Bedacht.

Der Gesundheitsdezernent setzt seine Hoffnungen zudem in städtische Aktionen. Ab Februar sollen die Bemühungen, die Essener zur Organspende zu bewegen, deutlich intensiviert werden. Dann geht das „Gesellschaftsbündnis für Organspende“ an den Start. „Unternehmen, Verbände, Institutionen werden sich beteiligen und gemeinsam über Organspenden aufklären“, erklärt Renzel die Zusammensetzung. Konkret gehandelt werden soll vor allem bei der Kommunikation über das Thema. „Wir wollen Gesprächspartner sein, um ethnische und religiöse Bedenken abzubauen“, sagt Renzel. Außerdem werde man das Thema „in die Stadt hineintragen“, Schulen, Kirchen und Moscheen besuchen und um die Hilfsbereitschaft der Essener werben. Denn wie Peter Renzel weiß: „Organspende heißt Leben spenden.“

Welche Maßnahmen nun besser wirken, dürfte Eckhard Nagel völlig egal sein, Hauptsache sie tun’s. Wichtig für die Ärzte und Angehörigen sei, dass demnächst von vornherein Klarheit herrscht. „Die Frage nach den Organen ist eine schwere Belastung“, sagt der Ärztliche Direktor. Über 80 Prozent der Hinterbliebenen könnten nur mutmaßen, was der Wille eines Verstorbenen zu dieser Thematik sei. Meist bleiben die Organe dann im Körper – und nehmen den Erkrankten eine Chance auf Heilung. Hier könnte das neue Gesetz endlich Abhilfe verschaffen.

Die Zurückhaltung lösen

Doch auch in das städtische Bündnis und den Dialog mit den Menschen setzt Nagel seine Hoffnungen. „Ängste und Unsicherheiten führen dazu, dass man sich gar nicht erst mit dem Thema beschäftigen möchte“, diese Hemmschwellen gelte es abzubauen und die Zurückhaltung zu lösen.

Daher appelliert der Mediziner: „Es warten so viele Menschen auf unsere Hilfe, das kann der Gesellschaft nicht egal sein.“ Deshalb ist es in seinen Augen „Bürgerpflicht, sich zumindest mit dem Thema auseinanderzusetzen“. Schließlich könne jeder Einzelne irgendwann zum Betroffenen werden.