Essen. Der Energiekonzern Eon hat seine Pläne zum Konzernumbau bekannt gegeben: Der Ruhrgas-Sitz wird nach Düsseldorf verlagert, Essen erhält aber zahlreiche neue Jobs. Deutschlandweit sollen 6500 Stellen wegfallen. Vorstandsmitglied Bernhard Reutersberg erläutert die Pläne im Detail.

Deutschlands größter Energieversorger Eon hält trotz heftiger Proteste an seinen Plänen für einen massiven Stellenabbau fest. Der Konzern teilte am Dienstag mit, nach den bisherigen Planungen werde sich die Zahl der einzusparenden Arbeitsplätze "am oberen Ende der bisher genannten Bandbreite von 9.000 bis 11.000 bewegen".

Auch die Pläne für den Standort Essen sind nun klar. Die Stadt verliert den Ruhrgas-Sitz, bekommt aber neue Jobs - unter anderem aus München. Das neue Essener Verwaltungsgebäude soll mit bis zu 2100 Mitarbeitern voll ausgelastet sein. Hunderte Eon-Beschäftigte sollen nach Essen ziehen.

Die Pläne im Detail erläutert Eon-Vorstandsmitglied Bernhard Reutersberg im Gespräch mit der WAZ-Mediengruppe.

Eon will weltweit rund 11.000 von derzeit 79.000 Arbeitsplätzen streichen. Etwa 6500 Stellen sollen in Deutschland wegfallen. Wie wirkt sich das auf den Standort Essen aus?
Bernhard Reutersberg: Essen bleibt ein ganz wichtiger Eon-Standort. Unser neues Verwaltungsgebäude in der Nähe der Messe soll auch künftig voll ausgelastet sein. Wir planen mit bis zu etwa 2100 Mitarbeitern.

Konkreter bitte.
Reutersberg: Wir werden für unser deutsches Geschäft eine neue Steuerungseinheit bilden, die ihren Sitz in Essen haben wird. Dafür schaffen wir zahlreiche neue Stellen im Ruhrgebiet. Außerdem bündeln wir den Großkundenvertrieb für Strom und Gas. Diese Aktivitäten wollen wir ebenfalls in Essen ansiedeln. Auch unsere Beratungsgesellschaft Eon Inhouse Consulting wird komplett ins Ruhrgebiet umziehen..

Was wird aus Eon-Ruhrgas?
Reutersberg: Wir führen wesentliche Geschäfte von Eon Ruhrgas mit unserem Bereich Energy Trading zu einer neuen Handelstochter zusammen. Der Standort dieser neuen Gesellschaft wird Düsseldorf sein.

Ruhrgas hat eine stolze Tradition am Standort Essen. Dieses Kapitel endet nun.
Reutersberg: Ein Traditionsunternehmen geht nach Düsseldorf, dafür kommen viele Beschäftigte nach Essen. Generell gilt: Im Großraum Düsseldorf-Essen schlägt das Herz von Eon.

Geplant ist, zahlreiche Stellen in Essen zu streichen. Um wie viele Jobs geht es?
Reutersberg: Im Detail steht das noch nicht fest. Klar ist, wir müssen auch im klassischen Ruhrgas-Geschäft Arbeitsplätze abbauen.

Wann haben die Beschäftigten Klarheit?
Reutersberg: Wir bemühen uns um eine möglichst rasche Lösung und hoffen auf konstruktive Gespräche mit den Arbeitnehmervertretern.

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© Felix Hoffmann

Standort in München wird "im Wesentlichen geschlossen"

Wie viele Mitarbeiter sollen nach Essen umziehen?
Reutersberg: Wir gehen mindestens von einer hohen dreistelligen Zahl aus.

Was wird aus dem Eon-Standort München?
Reutersberg: Von den derzeit 2500 Stellen in München sollen zwischen 1000 und 1500 erhalten bleiben. Unsere deutsche Konzerntochter Eon Energie in München wird im Wesentlichen geschlossen.

Ist es realistisch, dass hunderte Eon-Beschäftigte von München nach Essen umziehen werden?
Reutersberg: Davon sind wir überzeugt. Auch über entsprechende Anreize möchten wir mit den Arbeitnehmervertretern sprechen.

Ruhrgas hat eine lange, stolze Tradition in Essen. Verschwindet der Name Ruhrgas?
Reutersberg: Darüber haben wir noch nicht entschieden.

Ruhrgas wird in die Eon AG integriert

Eon hatte die Übernahme von Ruhrgas im Jahr 2003 gegen den Willen der deutschen Wettbewerbshüter durchgesetzt. Die Bundesregierung gab trotzdem grünes Licht in der Erwartung, dass Ruhrgas auf den internationalen Märkten gestärkt wird. Heute bestehen Zweifel daran, dass Ruhrgas tatsächlich von der Fusion profitiert hat.
Reutersberg: Wir schließen nun die Integration von Ruhrgas in der Eon AG ab. Dadurch wird unser Gasgeschäft gestärkt, so dass es in Zukunft eine noch höhere Bedeutung für uns haben wird.

Seit August herrscht Unsicherheit bei den Beschäftigten von Eon . War die monatelange Zitterpartie notwendig?
Reutersberg: Ein Konzernumbau dieser Dimension lässt sich nicht im Verborgenen beginnen. Deshalb haben wir von Anfang offen und ehrlich gesagt, was wir vorhaben. Das hat natürlich auch Unruhe ausgelöst. Deshalb ist es wichtig, dass wir nun ein Zwischenergebnis präsentieren können.

Es ist der Eindruck entstanden, die Eon-Führung will den Konzernumbau gegen den Willen der Beschäftigten durchsetzen.
Reutersberg: Das ist nicht der Fall. Wir möchten zügig mit den Arbeitnehmervertretern darüber sprechen, wie wir Strukturmaßnahmen und Stellenabbau sozialverträglich gestalten können.

"Wir schließen betriebsbedingte Kündigungen nicht aus"

Eon hat über Jahre hohe Gewinne eingefahren. Da wäre es doch nur selbstverständlich, betriebsbedingte Kündigungen auszuschließen.
Reutersberg: Wir hoffen, dass wir zu einvernehmlichen Lösungen kommen können. Als Ultima Ratio schließen wir aber betriebsbedingte Kündigungen nicht aus.

Für die Beschäftigten, die Eon verlassen sollen, ist eine Transfergesellschaft im Gespräch. Dieses Instrument wird auch nach Insolvenzen eingesetzt. Passt das zu Eon?
Reutersberg: Auch andere große Konzerne, die weit entfernt von einer Insolvenz waren, haben Transfergesellschaften auf den Weg gebracht. Wir möchten, dass Beschäftigte, die bei uns ausscheiden, möglichst schnell einen neuen Job bekommen.

Empfinden Sie Mitleid mit den Beschäftigten, die nun gehen müssen?
Reutersberg: Dass Mitarbeiter ihren Job verlieren, ist ein schmerzhafter Prozess. Die Sorgen der Mitarbeiter gehen auch an mir nicht spurlos vorbei.

Der sechsköpfige Eon-Vorstand soll trotz des Stellenabbaus bleiben. Warum wird eigentlich nicht auch beim Vorstand gespart?
Reutersberg: Im Vergleich zu anderen Konzernen unserer Größenordnung sind wir an der Unternehmensspitze schon jetzt schlank aufgestellt. Daher sehen wir keinen Handlungsbedarf.

Energiewende mache schlanke Strukturen notwendig

Wenn man sich umhört bei Eon, bekommt man oft zu hören, die Stimmung bei den Mitarbeitern sei auf dem Tiefpunkt.
Reutersberg: Dass die Stimmung in der derzeitigen Phase generell angespannt ist, lässt sich leider nicht vermeiden. Umso wichtiger ist, die Unsicherheit so schnell wie möglich zu überwinden.

Auch eine Streik-Drohung der Arbeitnehmer steht noch im Raum.
Reutersberg: Es ist das legitime Recht der Beschäftigten, auf ihre Interessen aufmerksam zu machen. Ich hoffe allerdings auf konstruktive Verhandlungen und einvernehmliche Lösungen.

Welche Zukunft hat der Eon-Standort Hannover?
Reutersberg: Unsere Kraftwerkssteuerung und Eon IT bleiben in Hannover. Zwei der bislang acht Eon-Standorte dort werden wir erhalten. Von den derzeit 2500 Arbeitsplätzen bleiben voraussichtlich 1500 bis 2000 in Hannover.

Stellenstreichungen sind eine ziemlich unkreative Management-Strategie. Wo ist denn die Wachstumsstrategie von Eon?
Reutersberg: Der Einschnitt ist notwendig geworden, da sich unsere Märkte dramatisch verändert haben. Wir verzeichnen auf dem europäischen Energiemarkt Überkapazitäten und einen Preisverfall. Auch der Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland hat eine Rolle gespielt. Wir wollen Teil der Energiewende sein. Dafür brauchen wir auch finanzielle Möglichkeiten und schlankere Strukturen.

"Die Wachstumsmärkte sind außerhalb Europas"

Geld scheint da zu sein. Im Ausland strebt Eon Milliarden-Investitionen an. Wie passt das zum Jobabbau?
Reutersberg: Wir stellen uns auf das veränderte Umfeld ein. In Deutschland ist der Energieverbrauch rückläufig. Die Wachstumsmärkte sind außerhalb Europas – etwa in Brasilien, in der Türkei oder Indien. Dort wollen wir präsent sein.

Der Image-Schaden für Eon durch den Jobabbau ist gewaltig. Spüren Sie schon, dass Kunden abspringen?
Reutersberg: Natürlich gibt es die eine oder andere Beschwerde von Kunden. Aber ich habe den Eindruck, dass viele Menschen verstehen, dass sich die deutsche Energiewirtschaft im Umbruch befindet und nicht mehr so weitermachen kann wie bisher.

Wird es bei Eon künftig noch Kunst- und Kulturförderung geben, speziell für das Essener Folkwang Museum?
Reutersberg: Darüber haben wir noch nicht entschieden, noch nicht einmal diskutiert. Im Mittelpunkt steht nun zunächst einmal, dass wir unseren Konzernumbau erfolgreich abschließen.