Essen. .

Laut Konsumforscher sind die Deutschen trotz Schuldenkrise in bester Kauflaune. Stimmt, sagt der Essener Einzelhandel. Der Sprecher des Einzelhandelsverbandes Ruhr, Marc Heistermann, weiß von „steigenden Umsatzzahlen“ in der Einkaufsstadt zu berichten.

Nackte Zahlen alleine sagen nicht viel aus. Also verrät der, der etwas über das Verhalten von Konsumenten sagt, immer auch etwas über seine eigene Sicht auf die Welt. Etwa wenn es um die Frage geht, wie es angehen kann, dass bei den Verbrauchern in Deutschland die Kauflaune inmitten der Schuldenkrise in Europa gestiegen ist – zumindest laut der Gfk, Gesellschaft für Konsumforschung.

Rolf Krane erklärt sich diese Kuriosität mit der Zuversicht eines Pessimisten: „Vielleicht denken die Leute: ,Bevor mein Geld nichts mehr wert ist, gebe ich es lieber noch schnell aus’.“ Der Vorsitzende der Interessengemeinschaft Rüttenscheid beeilt sich freilich zu versichern, er sei kein Wirtschaftsexperte und könne hier nur auf sein Bauchgefühl hören. Dieses scheint unter anderem von den Erfahrungen der Großeltern gespeist zu sein, die noch miterleben mussten, was Währungsreformen an Werten zerstören.

„Die Leute sind optimistischer als sie sein müssten“

„Die Leute sind optimistischer als sie sein müssten“, kommentiert Krane das Shopping-Phänomen Deutsch­land. Zugespitzt heißt das: Die „German Angst“ als Kaufimpulsgeber könnte die Finanzkatastrophe verhindern. Oder abfedern. Vor allem, wenn wie erwartet der deutsche Export nachlässt, würde sich ein steigender Binnenkonsum segensreich auf die Wirtschaft auswirken. Mit diesen Mutmaßungen ist Krane und sein Bauchgefühl in guter Gesellschaft, denn einige Wirtschaftsexperten sehen das ähnlich.

Wie dem auch sei: Die Einzelhändler an und rund um die Rüttenscheider Straße halten sich nicht an die alte Weisheit, wonach der Gruß des Kaufmanns die Klage ist. „Die Geschäfte laufen zufriedenstellend“, heißt es unisono. Und was für den Mikrokosmos Rüttenscheid gilt, hat offenbar für den gesamten Essener Einzelhandel seine Gültigkeit. Der Sprecher des Einzelhandelsverbandes Ruhr, Marc Heistermann, weiß jedenfalls von „steigenden Umsatzzahlen“ in der Einkaufsstadt zu berichten. Schmuck, Möbel und Haushaltsgeräte hätten besonders von dem profitiert, was manche als Indiz für eine Flucht der Konsumenten in „Sachwerte“ nennen.

Konsumklima: Heiter bis kauflustig

Heistermann spricht zwar ständig mit den Einzelhändlern, über konkrete Zahlen kann er trotzdem nicht Auskunft geben. Dafür aber das NRW-Landesamt für Statistik. Demnach stieg der Konsum tatsächlich in den genannten Bereichen wie der Haushaltstechnik und der Unterhaltungselektronik um 0,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat September. Bücher und Schreibwaren sorgten gar für eine Umsatzsteigerung um 5,2 Prozent. Eine Zahl, die Ralf Vogel, Inhaber vom „Buchhaus“ in Altenessen nicht in der Größenordnung, aber in der Tendenz bestätigt. „Wir sind sehr zufrieden“, sagt Vogel.

Insgesamt jedoch setzte der Einzelhandel 1,9 Prozent in NRW weniger um. Was nun? Ist der Konsumentenrausch in der Krise etwa nur eine Wunschvorstellung der GfK?

„Die Antwort ist ganz einfach“, sagt Andrea Schwenke, Managerin des Allee-Centers in Altenessen: „Das richtige Wetter macht den Umsatz.“ Übersetzt heißt das: Sonniges Herbstwetter sorge nun mal dafür, dass die bereits an den Ständern baumelnde Winterkollektion hängen bleibt – was das landesweite Minus von 10,7 Prozent im Umsatz mit Textilien, Bekleidung und Schuhen bestätigt.

„Die Konsumenten sind gut drauf"

Doch sowohl Andrea Schwenke als auch Klaus-Peter Kundörfer, seit Mitte August neuer Leiter der Karstadt-Filiale im Einkaufszentrum „Limbecker Platz“, wissen: Der nächste Frost kommt bestimmt – und dann tobt die allgemeine Kauffreude auch in den Umkleidekabinen. Kundörfer: „Die Konsumenten sind gut drauf.“ Konkrete Zahlen sind allerdings auch hier nicht zu erfahren, man spürt aber die gute Stimmung bei den Einzelhandelsprofis.

Die Einkaufsstadt Essen, sie wird wohl weiter von einem stabilen Arbeitsmarkt sowie dem gewachsenen Misstrauen gegenüber Banken und dem niedrigen Zinsniveau für Spareinlagen profitieren. Nicht zuletzt deshalb macht Shoppen wohl derzeit mehr Spaß als Festgeld bunkern – vorausgesetzt natürlich, man kann sich diese Wahl leisten.