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Meditation statt Kantine: Berufstätige kommen ins Buddhistische Zentrum, um dem hektischen Alltag kurz zu entkommen. Ein halbe Stunde verbringen Menschen miteinander, die sich nicht kennen. Die Suche nach der inneren Ruhe verbindet sie.
Der Job bedeutet für Stefan nur noch Stress. Der 31-Jährige ist gleich dreifach selbstständig: als Toningenieur, Inhaber einer Plattenfirma und als Musiker. Geregelte Arbeitszeiten kennt er nicht, denn er ist ständig auf Tour oder im Tonstudio. „Wenn man dann das zweite Mal kurz vor dem Burn-out steht, macht man sich Gedanken“, sagt Stefan. Deshalb kommt er ins Buddhistische Zentrum: zur Meditation in der Mittagspause.
Vor dem großen goldenen Buddha rückt Stefan seine blaue Matte und die Kissen auf dem Holzboden zurecht. Vor einem Jahr war er schon einmal hier, als die Hektik im Alltag zu viel wurde. Da hat es funktioniert: „Die Meditation als Ausgleich“, sagt Stefan. Um von seinen Gedanken auf kontrolliertem Weg abzuschalten. Der Mann mit den langen schwarzen Haaren spricht kurz mit Vidyagita, wie sich eine der drei Vollzeit-Mitarbeiterinnen im Buddhistischen Zentrum nennt, seit sie ordiniert wurde. Sie leitet die Auszeit in der Mittagspause.
Ein halbe Stunde verbringen Menschen miteinander, die sich nicht kennen. Die Suche nach der inneren Ruhe verbindet sie. Einige kommen ein oder zwei Mal, um die Techniken dann selbst anzuwenden. Manche stellen sich mit wenigen Sätzen vor, andere setzen sich still auf ihre Matte und warten, bis Vidyagita Impulse gibt.
„Spüren, wo die Handfläche aufliegen, die Kopfhaut und die Wangen fühlen“
An manchen Tagen meditieren sie mit der Methode, mit der sie positive Grundhaltung sich und anderen gegenüber entwickeln. In dieser Mittagspause wählt Vidyagita die Atem-Meditation. „Spüren, wo die Handfläche aufliegen, die Kopfhaut und die Wangen fühlen“, spricht sie ruhig zu den Meditierenden.
In der ersten Phase zählen sie lautlos nach dem Ausatmen, um sich zu konzentrieren. Ein Gong leitet Phase zwei ein. Bedeutet: vor dem Einatmen zählen. Es soll helfen, nicht mit den Gedanken abzuschweifen. In Phase drei ist es Zeit, auch die Zahlen loszulassen, um sich in Phase vier ganz auf die Körperregion zu konzentrieren, an der man den Atem spürt. Es riecht nach Sandelholz. Die Stille unterbricht nur das Schlucken des Sitznachbarn im Raum. Draußen lärmen Autos, und der Regen klatscht gegen die Scheiben. Die Augen bleiben zu, der Kopf ist leicht geneigt. Buddha macht es vor.
Die Idee zur Meditation in der Mittagspause schleppten zwei Mitarbeiter der Stadtverwaltung ins Buddhistische Zentrum ein, die nach einem Ort der Ruhe suchten. Seit drei Jahren können Berufstätige dort nun in der Mittagspause ihrem geschäftlichen Alltag entkommen. „Meditation ist ein Mittel, um den Geist zu wandeln“, steht auf einem Info-Blatt. Ein Gegenmittel bei Angst und Rastlosigkeit, bei Abneigung und Unzufriedenheit. Für Menschen, die nicht gewöhnt sind, mit ihrem Geist zu arbeiten, könne das schwierig sein, sagt Vidyagita. Es gehe darum, was passiert, wenn man zur Ruhe kommt: Wo will der Geist hin? In welcher Stimmung ist man? Beschäftigt den Betroffenen das Gespräch mit dem Kollegen oder dem Partner? Oft färbe es auf das Verhalten anderen gegenüber ab. Meditieren könne helfen, Tendenzen oder Muster zu erkennen.
„Der Trend ist doch, immer erreichbar zu sein und nie zur Ruhe zu kommen"
„Das Problem ist, dass heute viel automatisch läuft“, sagt Jörg Margane (39). Er sei Geschäftsführer mehrerer Unternehmen und käme seit einem Jahr, um sich dieser Automatismen bewusst zu werden: „Der Trend ist doch, immer erreichbar zu sein und nie zur Ruhe zu kommen“. Daher will er bei der Meditation Abstand gewinnen, inne halten: „Das ist hier eine Insel für sich.“
Die hat auch Stefan für sich wieder entdeckt. Das Meditieren will er nun so erlernen, dass er es auch allein schafft, wenn er auf Tournee ist. Er spielt Gothic-Rock, erzählt der 31-Jährige. Und dass sich einiges bei ihm ändern müsse. Das Rauchen habe er schon aufgegeben. Jetzt folge „ein Ziel nach dem anderen.“ Das Meditieren helfe ihm, wenn er vor dem Problem stehe, den Bezug zu sich selbst zu verlieren. „Das will ich nicht“, sagt er und ist sich sicher, das hinzukriegen. Immerhin habe er das schon einmal geschafft.
Gleich nach dem Meditieren kämpft Stefan erstmal mit seinem Fuß, der eingeschlafen ist und spricht kurz mit Vidyagita. Die anderen haben ihre Matten schon zurückgelegt und sind gegangen – manche so wortlos wie sie gekommen sind.