Essen.
Ewig Lange Wartelisten für Interessenten auf einen Kleingarten sind längst Geschichte. Vereine wie Hohe Birk suchen sogar händeringend Pächter. Bei den Veränderungen in den Kolonien spielt das Finanzielle eine Rolle.
Lange Wartelisten für ein grünes Fleckchen in der Laubenkolonie, das war einmal. Bis zu zehn Jahre musste manch Essener ausharren, bis er seine Parzelle beharken durfte, sein grünes Glück im Kleingartenverein. Wer das wünscht, kann jetzt gleich zugreifen. Vereine wie Hohe Birk suchen händeringend Pächter. 35 Gärten stehen in Haarzopf leer. Wartelisten gibt es bei anderen Anlagen durchaus. Nur stehen dort zwei bis drei, vielleicht fünf Interessenten wie in Karnap. Früher landete man schon mal auf Platz 250.
Was sich auch geändert hat: Junge Familien entdecken die Kleingärten. „Sie wollen ihren Kindern etwas bieten“, sagt Helmut Küperkoch, Vorsitzender aus Haarzopf. Natürlich gibt viele Kleingärtner wie Willi und Elke Kracht, die seit 40 Jahren leidenschaftlich dabei sind. Der Trend insgesamt geht zu: Freizeit statt Ackerbau. Dann gibt es auch einzelne junge Familien mit ökologischem Bewusstsein, die gern den unbehandelten Apfel pflücken, sagt Heinz Schuster, Stadtverbandsvorsitzender.
„Wir packen unsere Pächter in Watte“
Früher sei es der kleine Mann gewesen, der das Gemüse aus Not anbaute, weil er sich das aus dem Geschäft nicht leisten konnte. „Plötzlich stand der Mittelstand auf der Matte“, sagt Schuster. Ohne Strom oder Toiletten in den Anlagen läuft nichts mehr. „Opas Kleingarten ist tot“, davon ist er überzeugt.
Ihre aufpolierte Anlage sieht auch Ralf Böing als einen Grund für ihre Beliebtheit in Karnap: Vor vier Jahren wurde er Vorsitzender, habe sich für Strom für mehr Kleingärten, neue Beleuchtung und Außentoilette eingesetzt: „Wir packen unsere Pächter in Watte.“ Und die kommen auch aus Gelsenkirchen oder Bottrop. Denn im Gegensatz zu anderen Städten, habe der Essener Stadtverband nie gewünscht, ausschließlich an eigene Bürger zu verpachten. In Haarzopf sei das bis vor fünf Jahren so gewesen, sagt Küperkoch.
Kleingärten
In Essen gibt es 107 Gartenbauvereine und 8940 Kleingärten in 247 Kleingartenanlagen. Die fangen bei zwölf Gärten an. Info und Kontakt: www.kleingaertner-essen.de;Hohe Birk: 0201 / 74 30 85
„Wir müssen leicht verstaubte Gesetze neu interpretieren“
Der Generationenwechsel und auch der schnelle Wechsel der Pächter hieß auf Seite der Vereine Änderungen. „Wir müssen leicht verstaubte Gesetze neu interpretieren“, erklärt Schuster. „Wir zählen keine Kohlköpfe.“ Natürlich sieht Rentners Rasen mitunter anders aus als der der berufstätigen Eltern. Da sei man toleranter geworden. Gibt es doch Ärger um Unkraut oder Kinderlärm, versuchen Vereine den auszuräumen. Klappt das nicht, kann die Schlichtungsstelle helfen. Allerdings lägen zurzeit auch 16 Fälle bei Gerichten, sagt Schuster. Die Mentalität zum Klagen sieht er aber nicht als typisch für Kleingärtner. Die Tendenz habe überall zugenommen. Bei ihnen gehe es um ausstehende Pachten oder vergammelte Gärten. Kündigungen sind Stadtverbandssache, auch wenn die Vereine rechtlich eigenständig sind.
Nach wie vor bleibt bei den Kleingärtnern viel geregelt. Muss es auch, sagt Küperkoch, um Auswüchse zu vermeiden. Hecken haben sie im Blick: 1,30 cm, laut Bundeskleingartengesetz. Weil die Vereine gemeinnützig sind und sich jeder am Anblick von Blumen und Bäumen erfreuen können soll.