Essen. .
Wassertürme stehen grundsätzlich ganz oben. Davon profitieren die Mitarbeiter eines Internet-Unternehmens, das im alten Steeler Wasserbehälter seinen Sitz hat. Kunden aus ganz Deutschland kommen zum Gespräch - und, um sich den Turm anzusehen.
Wenn Alfried Große seinen Freunden von seinem Arbeitsplatz erzählt, gucken sie ihn erst ungläubig an. Manchmal bemerkt er einen Funken Neid in den Gesichtern. Alfried Große ist Pressesprecher der Firma „Mauve Mailorder Software“, und die hat ihren Sitz an einem besonderen Ort: im Wasserturm in Steele.
Großes Schreibtisch steht in der siebten Etage des Wasserturms, also im ehemaligen Wassertank des Turms. Für ihn macht genau das den Reiz aus. In 30 Meter Höhe eröffnet sich für ihn der Blick über ganz Essen und an klaren Tagen bis weit in die umliegenden Ruhrgebietsstädte. „Unschlagbar“ sei das, findet er. Der einzige Nachteil an dem Turm als Arbeitsplatz sei die Thermik. Die Decken der Etagen sind deswegen mit Infrarotwärmeplatten abgehängt: „Sonst wäre es im Winter ziemlich kalt hier“, sagt Große.
„Es ist als würde man in einem Museum arbeiten“
Auch interessant
In der ersten Zeit in der Firma, die sich als Dienstleister für Internetshops profiliert hat, ist es Alfried Große mitunter schwer gefallen, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Die Atmosphäre des Wasserturms packte ihn. „Es ist als würde man in einem Museum arbeiten.“ Alte Ventilräder, die dicken runden Ziegelwände und der eiserne Wassertank - vieles erinnert heute noch an die alte Funktion. Der Wasserturm hat jedenfalls kein standardisiertes Raumprogramm, was Große verständlicherweise immer wieder begeistert.
1898 wurde der Wasserturm in Steele gebaut. Im Jahr 1984 wird hier zum letzten Mal Trinkwasser aus den Ruhrwiesen hineingepumpt. Wassertürme dienten früher nicht nur einfach der Versorgung der umliegenden Haushalte. Die Schwerkraft des nach unten drückenden Wassers hat das Wassernetz erst in die Lage versetzt, die Haushalte in Wohnhäusern optimal zu versorgen.
Als der Steeler Wasserturm technisch nicht mehr erforderlich war und zum Verkauf stand, griff zunächst der Steinmetz Axel Kalenborn zu. Er renovierte das Objekt aufwendig und ließ Etage um Etage in den hohlen Turm ziehen, Fenster einsetzen, Fugen reinigen und Treppen und einen Fahrstuhl einbauen. Nach dem Umbau gab es in einer kleinen Galerie im Turm einige Jahre Kunstwerke zu sehen.
Objekt vor fünf Jahren zufällig entdeckt
Vor fünf Jahren stand der heute unter Denkmalschutz stehende Wasserturm wieder zum Verkauf. Christian Mauve, der Chef von Mauve Software, entdeckte das Objekt zufällig. Interessenten habe es einige gegeben, aber letztlich hatte nur Mauve den Mut zu kaufen. Es sollte sich auszahlen. Heute profitiert das Unternehmen von den ungewöhnlichen Räumlichkeiten. Der Wasserturm sei ein wahrer Kundenmagnet.
Seit dem Einzug in den Wasserturm machen die 26 Mitarbeiter prinzipiell keine Kundenbesuche mehr. Mauve: „Wenn die Leute zu uns kommen, können sie sich schließlich diesen einzigartigen Turm ansehen.“ Die Kunden kämen aus ganz Deutschland nach Steele, und einen Rundgang gibt es natürlich gratis zum Kundengespräch. „Natürlich nur bei einem Vertragsabschluss“, sagt Christian Mauve und lacht.